Ausgangslage: Schon seit Jahrzehnten wehrt sich die BN-Kreisgruppe Altötting gegen eine Ortsumfahrung Burghausen (OUB) durch das Priesenthal/Lengthal. Diese OUB sollte schon seit langem die Burgkirchnerstraße entlasten; die Burgkirchnerstraße war schon „immer“ ein beliebter Ersatz für die kurvige, enge offizielle B20-Teilstrecke durch die belebte Marktler-, Berchtesgadenerstraße, durch das Salzachtal, durch das Landschaftsschutzgebiet „Salzachtal“ und zwei Trinkwasserschutzgebiete; seit Beginn 2020 ist die Burgkirchnerstraße auch die offizielle Teilstrecke der B20, und die „alte“ Teilstrecke der B20 durch das Salzachtal ist heute eine Gemeindeverbindungsstraße. Wir sehen das Priesenthal/Lengthal und teilweise auch das Landschaftsschutzgebiet Hechenberg bedroht, diese sind alle Burghauser Naherholungsgebiete mit kulturellen (u.a. ehemalige Nagelfluhsteinbrüche) und ökologischen Höhepunkten (u.a. die Giesstruktur (ähnlich den Wadis in der Wüste) und den sehr seltenen Primärhabitaten der bedrohten Gelbbauchunke). 2010 haben wir mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) in der Burgkirchnerstraße den Verkehrslärm gemessen und für unterschiedliche Szenarien berechnet; schon damals hatten wir eine sofortige Lärmreduzierung durch bekannte Maßnahmen gefordert und dafür die teure Ortsumfahrung abgelehnt. Heute setzen wir diese Aktivität fort, allerdings in einem weiten Aktionsbündnis mit den Parteien „Bündnis 90/Die Grünen“, „ÖDP“, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) und weiteren Unterstützern.
Gründe für die Ablehnung der OUB ist der Kampf gegen den Klimawandel (gerade in diesem Sommer mit katastrophalen Überschwemmungen durch die Starkregen auch bei uns in Deutschland), der aufsehenerregende Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. 3. 2021, der die Regierung zu einem zweiten, schärferen Klimagesetz (2021) bewegt hat.
Analyse der Lage: Viele Bürger sind der Meinung, dass eine Ortsumfahrung das Lärmproblem in der Burgkirchnerstraße löst, was ja auch ein großer Teil des Burghauser Stadtrates sagt; wir wollen zeigen (und als Quelle das Bundesministerium für Verkehr und Information (BMVI) zitieren), dass dies nicht stimmt! Mit einigen Bürgerdialogen möchten wir darauf aufmerksam machen. Im Zentrum der Bürgerdialoge steht also der Lärm u.a. in der Burgkirchnerstraße und nicht die Ortsumfahrung, das Betonmonster! Die OUB wird kaum vor 2030 gebaut sein, der Lärm könnte schon 2021 reduziert werden (und hätte schon 2010 reduziert werden können).
Warum soll eine OUB gebaut werden? Grund 1: Zu hoher Verkehrslärm in der Burgkirchnerstraße; nach den ersten Aussagen des Straßenbauamtes Traunstein (StBA TS), dass die OUB wegen des hohen Binnen-, Quell- und Zielverkehrs den Lärm nicht hörbar verringert, verschwand dieser Grund etwas in der Versenkung. Grund 2: Danach wurde immer öfter eine verbesserte B20-Netzfunktion (Netz-, Verbindungsfunktion, Erreichbarkeit, ...) genannt. Grund 3: Im PNP-Artikel "Sachlicher Bürgerdialog oder reiner Wahlkampf" vom 16. 7. wird ein dritter Grund genannt, das sehr positive und durch die Grünen und Umweltverbände unterstützte städtische Mobilitätskonzept: „dieses beruhe auf der Realisierung der OUB“! Zu diesen drei Gründen im Folgenden mehr.
Zu diesen drei Gründen gibt es im Bundesverkehrswegeplan 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BVWP 2030 des BMVI) zwei Module (C und D), die in dieser Richtung ausgewertet werden; sie werden im Methodenhandbuch des BVWP erläutert:
Raumordnerische Beurteilung (Modul C): Hier geht es um An- und Ver-bindungsqualitäten, um Erreichbarkeit zu Autobahnanschlüssen, Flughäfen, Oberzentren und IC-Bahnhöfen. Städtebauliche Bewertung (Modul D): Hier werden die Effekte der Verkehrsprojekte auf bebaute Bereiche und den Menschen bewertet. Also z.B. die Abnahme der Verkehrsbelastung (Lärm, etwa in der Burgkirchnerstraße durch den Bau der OUB oder eine andere Raumnutzung der Burgkirchnerstraße, etwa durch Umgestaltung und Erhöhung der Aufenthaltsqualität).
Die Ergebnisse dieser Beurteilungen durch die StBA TS werden in dem Projektinformationssystem zum BVWP 2030 (PRINS) vom BMVI genannt: Für beide Module heißt es bei PRINS "nicht bewertungsrelevant" und „ … hat keine Bedeutung“; dies wird noch für Modul D erklärt [1], mit anderen Worten: Die geringe Abnahme des Verkehrs in der Burgkirchnerstraße wirkt sich weder lärmmäßig, noch in Bezug auf die Möglichkeit Straßenräume bürgerfreundlicher (Flaniermeilen/Straßencafés/Radspuren etc) zu gestalten (das sind die obigen Gründe 1 und 3), noch auf den Bereich Verbindungsqualitäten (Grund 2) positiv aus.
Zu den beiden ersten Modulen (A = Nutzen-Kosten-Analyse (zentrales Modul), B = Umwelt- und Naturschutz-fachliche Beurteilung) können wir die Ergebnisse nicht beurteilen, weil die quantitativen Ergebnisse mit der Ortsumfahrung Laufen gemittelt wiedergegeben sind. Das Ergebnis von Modul A ist laut BVWP entscheidend für die Einordnung in den Vordringlichen Bedarf.
Unser Resümee: Auch wenn wir bis zur Planfeststellung in frühestens drei Jahren die Ergebnisse für die OUB zu den Modulen A und B nicht kennen, weil sie erst in der Planfeststellung für die OUB allein angegeben werden, sind die Ergebnisse des BMVI für die zwei (oder drei) Gründe für die OUB für einen entschlossenen Straßenbauer deprimierend (keine Auswirkungen auf Lärm, Wohn- und Verbindungs-qualität!). Und eine Straße nur bauen, weil sie angeblich wenig kostet (ca. 40 Mio €) und angeblich viel nützt, das wäre niemand zuzutrauen. Und eine Lärmminderung (Grund 1), nach u.M. nach wie vor der Hauptgrund für einige Anwohner der Burgkirchnerstraße, kann man schnell und kostengünstig mit Lärmschutzmaßnahmen erreichen (Tempo 30; Verteuerung des Verbrennermotors durch CO2-Besteuerung (LKW), intelligente Ampelschaltung, ...).
Weitere Argumente gegen eine OUB die hier nicht angesprochen wurden: Die OUB versiegelt ca. 5 ha Land mit Beton und/oder Asphalt, entzieht der Landwirtschaft weitere ca. 5 ha Land durch die Abböschungen. Im Priesenthal, Lengthal, auf dem Hechenberg werden seltene faunistische, floristische Arten und Lebensräume gefährdet, ein interessanter Ausflugsbereich zerschnitten etc.. Die eingesparten Kosten können für nachhaltigere Mobilitäts-Projekte verwendet werden (Fußgänger, Radfahrer, Bahn, ÖPNV).
[1]"Begründung: Bei einer erwogenen Realisierung der Maßnahme werden im Vergleich zur Situation im Bezugsfall auf allen betroffenen Streckenabschnitten nur geringe Unterschiede in den Verkehrsintensitäten, auftreten. Wirksamkeiten oder Beeinträchtigungen können daher nicht ausgewiesen werden. Städtebauliche Potentiale lassen sich deshalb voraussichtlich nicht oder nur auf niedrigem Niveau aktivieren."
Diese Begründung ist ein Zitat aus PRINS vom BMVI und ist für manche schwer verständlich. Deshalb hier noch eine Erläuterung, wie ich das verstehe: "Falls eine OUB gebaut wird, werden auf allen betroffenen Streckenabschnitten nur gering unterschiedliche Verkehrsintensitäten auftreten, also auf der OUB selbst werden nur vergleichsweise wenige KFZ fahren, auf der Burgkirchnerstraße wird deshalb auch die Verringerung der Verkehrsintensität gering ausfallen. Deshalb können auf der Burgkirchnerstraße die städtebaulichen Potentiale (Aufbau einer Bürger-nahen Infrastruktur, Etablierung einer Fahrradstraße etc.) voraussichtlich nicht oder nur auf geringem Niveau aktiviert werden.
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