22. 3. 2017: Jazu als erster Waldrapp im Brutgebiet angekommen
Der Frühling 2017 ist da – Zeit, um wieder einen Newsletter auszusenden. Und das aus gutem Anlass: Vorgestern, am 22. März, ist der erste unserer Wildvögel wieder im Brutgebiet Burghausen/Bayern angekommen. Am 13. März ist das Männchen Jazu – einer der erfahrensten migrierenden Vögel unserer Population – gemeinsam mit einem weiteren Männchen, Francesco, aus dem Wintergebiet in der Toskana abgeflogen. Bereits am 15. März erreichten beide Vögel Österreich; sie legten damit eine Strecke von ca. 560 km innerhalb von zwei Tagen zurück. Allerdings mussten beide dort eine Pause einlegen, bedingt durch das schlechte Wetter mit Schneefall in den Alpen. Schließlich setzte Jazu sein Flug in Richtung Burghausen fort, während sich Francesco immer noch in Kärnten aufhält.
So früh ist bisher noch nie ein Waldrapp unserer Kolonie in das Brutgebiet zurückgekehrt; eine hoffentlich erfolgreiche und lang andauernde Saison hat somit begonnen. Mittlerweile haben noch sieben andere Waldrappe das Wintergebiet verlassen und weitere sind offensichtlich auch bereit für die Frühjahrsmigration.
Jazu traf in Burghausen auf fünf bereits anwesende Artgenossen. Diese Waldrappe gehören zur so genannten Brutgruppe, die aus insgesamt neun adulten Vögeln besteht. Diese Gruppe wird vorübergehend zu den Kolonien in Burghausen (5) und Kuchl (4) gesetzt. Ende Juli werden diese Vögel wieder entnommen. Diese vorübergehende Supplementierung führen wir schon seit Jahren durch, mit dem Ziel, den Bruterfolg zu erhöhen.
6. 12.: Waldrapp-Kalender 2017
Aus einigen der besten Fotos des vergangenen Jahres haben wir wieder einen Kalender zusammengestellt, der alle Waldrappfreunde durch das Jahr 2017 begleitet.
Der Kalender kann gegen Erstattung der Selbstkosten von € 20,- (inkl. Versand) unter kalender@waldrapp.eu bestellt werden. Der Versand erfolgt ab Mitte Dezember.
Wer auf der Suche nach einem exklusiven (Weihnachts-)Geschenk für Waldrappfreunde ist: Gertrud Landwehr bietet sehr schöne Originalgemälde von Waldrappen zum Verkauf. Ein Teil des Kaufpreises der Bilder kommt dem Waldrapp-Projekt zugute. Alle Informationen dazu sind hier oder unter http://www.ideenreich-gl.at/malerei/ zu finden (für Bestellungen wenden Sie sich bitte direkt an Frau Landwehr).
5. 12. 2016: Veterinärmeeting im Tiergarten Schönbrunn
Vom 30. November bis zum 1. Dezember fand ein LIFE+ Veterinärmeeting statt, das vom LIFE+ Projektteam organisiert und vom Tiergarten Schönbrunn veranstaltet wurde. Die Teilnehmergruppe war bunt gemischt: Insgesamt nahmen 25 Personen aus vier verschiedenen Ländern am Workshop teil, darunter 12 Veterinäre, 12 Wissenschaftler (teilweise ebenfalls Veterinäre) und neun Vertreter von Naturschutzorganisationen (teilweise ebenfalls Wissenschaftler).
Der Workshop hatte zwei wesentliche Ziele: einerseits das Networking von Veterinären, die sowohl im Rahmen des LIFE+ Wiederansiedlungsprojekts als auch des spanischen Wiederansiedlungsprojekts Proyecto eremita tätig sind; andererseits stand die Vorstellung und Diskussion von laufenden und geplanten Forschungsprojekten zur Physiologie, Endokrinologie und Genetik der Waldrappe im Fokus.
Im Rahmen von fünfzehn Vorträgen wurde eine Vielzahl von Themen behandelt, wie zum Beispiel Bleivergiftungen bei Vögeln, Vogeljagd, veterinärmedizinische Aspekte des Waldrapp-Wiederansiedlungsprojekts in Spanien, Telomerbiologie und DNA-Methylierung bei Vögeln, diagnostische Bildgebung bei Waldrappen und physiologische Aspekte der Vogelmigration.
Am 2. Dezember besuchten einige der Teilnehmer des Workshops die Eulen- und Greifvogelstation in Haringsee (www.eulen-greifvogelstation.at), die von Dr. Hans Frey geleitet wird, und das Wolf Science Center in Ernstbrunn (www.wolfscience.at).
Foto: Die Teilnehmer des Workshops vor dem Waldrapp-Spielplatz im Tiergarten Schönbrunn; im Hintergrund befindet sich die Waldrapp-Voliere.
23. 11. Evidenz für illegale Vogeljagd in großem Umfang in Italien:
Fünf Waldrappe während der Herbstmigration abgeschossen
Am 15. November 2016 wurde der Waldrapp Luna in der Nähe von Costermano, Provinz Verona, mit schweren Verletzungen aufgrund von Schrotpellets aufgefunden. Dies ist der fünfte Abschuss eines Waldrapps in diesem Herbst.
Das bedeutet, dass fast 30% aller Waldrappe abgeschossen wurden, die seit September 2016 von den Brutplätzen nördlich der Alpen in die südliche Toskana migrierten.
Dies ist eine ernste Bedrohung für eine der am stärksten gefährdeten Vogelarten der Welt und eine wesentliche Verletzung italienischen und europäischen Rechts und bedeutet einen geschätzten finanziellen Schaden von 234.000 Euro für das europäische Wiederansiedlungsprojekt LIFE+ Northern Bald Ibis.
Alle Vögel dieser europäischen Population tragen GPS-Sender. Dies macht den Waldrapp zu einer Indikatorart für die Bedrohung durch die illegale Jagd in Italien. Wir gehen davon aus, dass die Verlustrate durch illegale Abschüsse bei anderen bedrohten Zugvogelarten entlang der italienischen Flugroute gleich oder sogar höher ist.
Unsere Daten deuten darauf hin, dass die illegalen Abschüsse insbesondere durch Jäger mit Jagdlizenz erfolgten. Viele Jäger und Jagdvertreter, sowohl in Italien als auch im Ausland, verurteilen diese Abschüsse als schwere Vergehen gegen die Umwelt und auch als erheblichen Schaden für das Image der Jagd. Das LIFE + Projekt hat seit 2014 Kooperationsabkommen mit den großen italienischen Jagdverbänden abgeschlossen, um gemeinsam Maßnahmen gegen die illegale Vogeljagd zu ergreifen.
In einem Schreiben an Jagdfunktionäre, Politiker und Interessensgruppen in Italien und im Ausland schlägt das Waldrappteam sechs konkrete Maßnahmen zur Reduktion der nachweislich hohen Rate von illegalen Abschüsse in Italien vor:
(1) sofortige, konsequente Untersuchungen der zuständigen Behörden, um in konkreten Fällen nach Möglichkeit den Wilderer zu identifizieren und eine Strafverfolgung einzuleiten;
(2) lebenslanger Entzug der Jagdlizenz nach Verurteilung eines Wilderers;
(3) signifikante Erhöhung der Geldstrafen für Wilderei;
(4) Überarbeitung des italienischen Jagdgesetzes um einen besseren Schutz gefährdeter Vogelarten zu gewährleisten;
(5) angemessene und umfassende Ausbildung der Inhaber von Jagdlizenzen;
(6) Installation von jagdfreien Zonen oder Schutzgebieten (special protected areas; SPAs) an Hot-Spots entlang der Zugrouten von Waldrappen und anderen vom Aussterben bedrohten Vogelarten.
Das Team des LIFE+ Waldrappprojekts wird ein Symposium zum Thema Illegale Vogeljagd abhalten, in dessen Rahmen die relevanten Parteien zusammenkommen, um über wirksame Maßnahmen zu diskutieren und zu entscheiden.
Foto (AG Schmalstieg): Trotz der illegalen Abschüsse haben es die meisten Waldrappe bis ins Wintergebiet geschafft. Die Herbstmigration ist abgeschlossen und mehr als 80Waldrappe überwintern nun in der Toskana.
18. 10.: Ein weiterer Waldrapp abgeschossen:
Start einer internationalen Petition gegen die illegale Vogeljagd in Italien
Innerhalb von 40 Tagen wurden drei Waldrappe während ihres Migrationsflüge in verschiedenen Regionen Italiens abgeschossen. Dies ist ein Sechstel der Waldrappe, die zu der Zeit in Italien unterwegs waren.
Der jüngste Abschuss geschah am 5. Oktober in der Provinz Grosseto. Das junge Weibchen THOR war gemeinsam mit zwei Artgenossen am Weg von seinem Brutgebiet in Bayern in das Wintergebiet in der südlichen Toskana. Die Vögel gehören zum europäischen LIFE+ Wiederansiedlungsprojekt, das vom Waldrappteam geleitet wird. Corinna Esterer, Mitglied des Waldrappteams, war vor Ort und fand den Vogel: THOR saß auf dem Boden. Sie war am Leben, aber offensichtlich hatte sie Schmerzen und war am Ende ihrer Kraft. Das war schrecklich zu sehen, so kurz vor ihrem Ziel.
Der Umfang illegaler Abschüsse bei den Waldrappen ist bekannt, weil alle Vögel in diesem Projekt GPS-Sender tragen. Das macht sie zu Indikatoren für das tatsächliche Ausmaß der illegalen Vogeljagd in Italien. Die Jagd auf die Waldrappe ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir nehmen an, dass die Verlustrate durch illegale Jagd für andere gefährdete und geschützte Vogelarten noch höher ist als für Waldrappe, die dank des europäisches LIFE+ -Projektes überwacht werden können. Das ist eine unglaubliche Menge sinnlos getöteter Vögeln und ein enormer Schaden. Sofortige und effektive Maßnahmen sind dringend erforderlich!
Deshalb startet das Waldrappteam eine internationale Petition gegen die illegale Jagd auf Waldrappe und andere geschützte Vogelarten in Italien. Die Petition, die aufgrund einer hohen öffentlichen Aufmerksamkeit (mehr als 150.000 Anhänger auf Facebook) initiiert wurde, ermöglicht es den Menschen, sich gegen diese „Freizeitbeschäftigung“ einiger rücksichtsloser Personen zu engagieren, bei der Leben vernichtet, Tierarten gequält und Tieren gefährdet werden. Die illegale Jagd wirkt sich auch nachhaltig negativ auf das internationale Image Italiens aus. Insbesondere schädigt dieses kriminelle Verhalten einiger Täter das Image aller italienischen Jäger und der Jagdverbände.
Die Petition ist an relevante italienische Stakeholder sowie an den Präsidenten des Europäischen Parlaments gerichtet. Gefordert werden die Ausarbeitung und Umsetzung von konkreten legislativen und exekutiven Maßnahmen, in Zusammenarbeit mit Natur- und Artenschutzorganisationen, insbesondere mit den Betreibern des europäischen LIFE+ -Projekts zur Wiederansiedlung des Waldrapps.
Wir bitten, die Petition zu unterzeichnen und die Information sowie den Link zur Petition zu verbreiten.
11. 10.: Wieder ein Waldrapp in Italien abgeschossen
KATO wurde wie berichtet am 1. September 2016 in der Provinz Grosseto abgeschossen, dem ersten Tag der Jagdsaison in der Toskana. Einen Monat später, am 8. Oktober, wurde der männliche Vogel TARA in der Provinz Vicenza abgeschossen.
TARA war einer der ältesten und erfahrensten Vögel unserer Population. Der Abschuss ereignete sich bei einem Zwischenstopp auf dem Weg in die Toskana. Linda Nowack, Mitglied des Waldrappteams, fand TARA nach dem Abschuss: "Ich bin immer noch geschockt und kann nicht glauben, dass dieser wunderbare Vogel getötet wurde. Der Jäger hat TARA einfach in einem kleinen Fluss liegen gelassen, wie Müll. Was für ein Mensch ist das? "
In der Zeit, als TARA und KATO erschossen wurden, waren insgesamt 17 Waldrappe auf ihrem Weg durch Norditalien in Richtung der Toskana. Wenn zwei von 17 Vögeln abgeschossen werden, ist das eine extrem hohe Abschussrate.
Die Tatsache, dass alle Waldrappe GPS-Sender tragen, macht sie zu einer Indikatorart für die wahre Dimension dieser Bedrohung. Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Wilderei kein Bagatelldelikt ist, sondern eine ernsthafte Bedrohung für gefährdete Zugvogelarten.
Konsequente Maßnahmen sind dringend erforderlich. Wir versuchen alles, um die verantwortlichen Jäger zur identifizieren und anzuklagen. Ein Präzedenzfall wurde vor kurzem mit der Verurteilung eines Jägers, der 2012 zwei Waldrappe abgeschossen hat, geschaffen.
Wir fordern auch die Jagdverbände als unsere Partner auf, entschieden und konsequent gegen die Minderheit ihrer Mitglieder vorzugehen, die geschützte Vogelarten jagen. Sie müssen angeklagt und von der Jägergemeinschaft ausgeschlossen werden. Wilderer beschädigen den internationalen Ruf Italiens und der italienischen Jägerschaft im Besonderen.
5. 10. 2016: Erneuter Abschuss eines Waldrapps in der Toskana: Ein weiterer Fall, der die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen die illegale Vogeljagd in Italien aufzeigt
Am 1. September 2016, dem ersten Tag der Jagdsaison in der Toskana, wurde der subadulte Waldrapp KATO in der Nähe von Punta Ala in der Provinz Grosseto abgeschossen. Zwei Tage nach dem Vorfall fand ein Mitglied unseres LIFE+ Teams den Vogel auf einer Wiese. Eine Untersuchung durch Renato Ceccherelli vom Veterinary Wildlife Management, CRUMA, bestätigte, dass der Vogel ohne Zweifel abgeschossen wurde.
Im Herbst 2016 waren insgesamt 17 Waldrappe in Norditalien unterwegs, sie befanden sich auf dem Weg in ihr Überwinterungsgebiet WWF Oasi Laguna di Orbetello. Wenn von einer so geringen Zahl an Vögeln ein Individuum abgeschossen wird, ist das ein klares Indiz für den erheblichen Jagddruck, zumal es sich um keinen Einzelfall handelt. KATO ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Fall zeigt einmal mehr, wie ernst die Bedrohung für gefährdete Zugvögel durch die illegale Jagd in Italien ist. Konsequente Maßnahmen sind dringend erforderlich.
Die kürzlich in Livorno erfolgte Verurteilung eines Jägers, der 2012 zwei Waldrappe abgeschossen hat, ist ein Präzedenzfall mit großer Relevanz - nicht nur für das LIFE+ Projekt, sondern auch für den Schutz bedrohter Zugvögel im Allgemeinen. Die Tatsache, dass alle Waldrappe mit Sendern ausgestattet sind, macht sie zu einer Indikatorart für die reale Dimension dieser Bedrohung. Aufgrund der Daten aus dem LIFE+ Wiederansiedlungsprojekt ist es offensichtlich, dass die Wilderei kein vereinzeltes Bagatelldelikt ist sondern eine ernsthafte Bedrohung für vom Aussterben bedrohte Arten wie den Waldrapp.
Die großen italienischen Jagdverbände kooperieren mit dem LIFE+ Wiederansiedlungsprojekt. Die Vogelwilderei beschädigt in erheblichem Maße den internationalen Ruf Italiens und der italienischen Jäger im Besonderen. Wir fordern die Jagdverbände als Partner daher auf, entschieden und konsequent gegen die Minderheit ihrer Mitglieder vorzugehen, die illegal Jagd auf geschützten Arten machen. Diese Wilderer müssen aus der Jägergemeinschaft ausgeschlossen werden.
16. 9.: Wir haben gewonnen!!! Italienischer Wilderer wurde in Livorno schuldig gesprochen
Vor fast 4 Jahren, am 13. Oktober 2012, wurde das Waldrapp-Weibchen GOJA und der Jungvogel JEDI in der Provinz Livorno, nur 80 km vom Überwinterungsgebiet entfernt, von einem italienischen Vogeljäger abgeschossen. Der Jäger hatte die Lizenz um auf Ringeltauben zu jagen. Am 13. September 2016 fand in Livorno die Gerichtsverhandlung statt. Der Jäger wurde schuldig gesprochen und verurteilt, sein Jagdschein wurde ihm entzogen.
Illegale Jagd ist die größte Bedrohung für die angesiedelten Waldrappe. Im Fall von GOJA und JEDI konnte erstmalig der verantwortliche Jäger identifiziert werden. Die Verurteilung des Jägers ist ein großer und wichtiger Erfolg für unser LIFE+ Projekt. Dieser Präzedenzfall ist ein klares Signal an jene Minderheit der Jäger, die auch auf geschützte Arten schießen. Wilderei ist keine triviale Angelegenheit, sondern eine ernsthafte Bedrohung für gefährdete Arten wie den Waldrapp. Neuerlich möchten wir uns bei unserer Anwältin Frau Carla Campanaro und der Provinzpolizei von Livorno für ihr Engagement in diesem Fall bedanken.
Das Urteil kam gerade rechtzeitig zum Beginn der Vogeljagdsaison in Italien. Die Bedeutung ist auch dadurch belegt, dass ein junger Waldrappe am 1. September, dem ersten Tag der Vogeljagdsaison in der Toskana, auf einem Feld in der Nähe von Punta Ala (Grosseto Provinz) gestorben ist. Die tierärztliche Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen, aber ein erstes Röntgen weist auf Schrotpellets im Körper hin.
Die Strafe ist mit 2000 Euro gering ausgefallen. Dem Jäger kam zugute, dass er bislang unbescholten war und dass das Waldrapp-Projekt 2012 in Italien noch wenig bekannt war. Aber das Urteil eröffnet für das Waldrappteam und seine Partner die Möglichkeit für eine Zivilklage, um den Schaden zu kompensieren, der auf etwa 20.000 € geschätzt wird. Die Ausstattung aller wildlebenden Waldrappe mit modernen GPS Sendern erhöht die Chance im Falle weitere Abschüsse die Täter zu identifizieren. Für weitere Straf- und Zivilprozesse wird der Livorno-Prozess ein wichtiger Präzedenzfall sein.
12. 09. Abschließende Anhörung im Prozess gegen einen Waldrapp-Wilderer in Livorno und neuerlich Verdacht auf einen illegalen Abschuss
Vor annähernd vier Jahren, am 13. Oktober 2012, war das Waldrapp-Weibchen GOJA auf dem Flug zum Überwinterungsgebiet in der südlichen Toskana, gefolgt von dem Jungvogel JEDI. In der Provinz Livorno, nur 80 km vom Überwinterungsgebiet entfernt, wurden beide Vögel von einem Jäger erschossen, der die Lizenz zur Jagd auf Ringeltauben hatte. Jetzt endlich, am 13. September 2016, findet in Livorno die abschließende Anhörung in diesem Fall statt. Der moralische und materielle Schaden wird mit 20.000 Euro bewertet.
Anne-Gabriela Schmalstieg war kurz nach dem Abschuss vor Ort: "Zuerst habe ich den Jungvogel JEDI gefunden, lebendig, auf dem Boden kriechend und stark blutend. Bald darauf fand ich GOJA, auch stark blutenden und auf dem Boden liegend. Ich habe alles versucht, um den beiden Vögel zu helfen, aber ich konnte nicht verhindern, dass GOJA in meinen Armen starb. Das war für mich eine Tragödie, es fühlte sich an wie einen guten Freund zu verlieren." Auch JEDI starb bald darauf in einem Veterinärzentrum in Livorno (CRUMA).
GOJA und JEDI sind der erste und bislang einzige Fall, in dem der Wilderer identifiziert werden konnten. Deshalb ist dieser Fall ist für uns von großer Bedeutung. Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Jäger aufgrund der zwingenden Beweislast verurteilt wird. Wilderei ist keine triviale Angelegenheit, sondern eine ernsthafte Bedrohung für die angesiedelten Waldrappe und andere bedrohte Zugvogelarten. Wir möchten unserer Rechtsanwältin Frau Carla Campanaro und der Provinzpolizei von Livorno für das Engagement in diesem Fall danken.
Auch die Europäische Kommission äußerte ihre Besorgnis darüber, dass die Zielesetzungen dieses LIFE+ Projektes durch die Wilderei in Italien ernsthaft gefährdet werden. Die Europäische Kommission verfolgt deshalb den Prozess mit großem Interesse.
Im September 2016 wurde der junge Waldrapp KATO tot in einem Feld in der Nähe von Punta Ala in der Toskana gefunden. Die GPS-Daten weisen darauf hin, dass er am 1. September gestorben ist, dem ersten Tag der Vogeljagd in der Toskana in diesem Jahr. Eine erste Röntgenuntersuchung lässt Schrotpellets im Körper des Vogels vermuten, die tierärztliche Untersuchung ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Somit ist die illegale Jagd nach wie vor eine große Bedrohung für unsere Vögel. Inzwischen konnten wir Kooperationen mit wichtigen Jagdverbänden in Italien etablieren, unter anderem mit der Federazione Italiana della Caccia, bei welcher der angeklagte Jäger Mitglied ist. Aus unserer Sicht wird mit derartigen Fällen von Wilderei das internationale Ansehen von Italien und insbesondere jenes der italienischen Jägerschaft ernsthaft beschädigt. Aus diesem Grund sollte eine rechtmäßige Verurteilung im laufenden Prozess auch im Interesse der italienischen Jägerschaft sein.
19. 8.: Menschengeführte Migration 2016: Erfolgreicher Start
Am 19. August flogen wir die erste Etappe der Migration 2016. Start war um 10:30 Uhr im Camp Brunn in Seekirchen, mit zwei Fluggeräten und 25 Vögeln – ein Vogel konnte verletzungsbedingt nicht mitfliegen. Die Route führte entlang dem Tennengebirge und dem Dachsteingebirge nach Süden und dann dem Salzachtal nach Westen folgend bis Bramberg am Wildkogel, 170 km Strecke in 03:15 Stunden. Rückenwind hat uns am Großteil der Strecke unterstützt, weshalb wir bei ca. 42 km/h Eigengeschwindigkeit auf 52 km/h mittlere Reisegeschwindigkeit und maximal 78 km/h Spitze kamen.
Die Vögel sind phantastisch mitgeflogen, haben teilweise schon eine deutliche V-Formation gezeigt und auch die einsetzende Thermik sehr gut genutzt. Einzig im Salzachtal kam es beim Überfliegen eines Bergrückens zu einer dramatischen Situation. Zwei Steinadler, vermutlich ein Paar, flogen wiederholt heftige Attacken gegen die Vögel. Diese reagierten sehr gut, indem sie in alle Richtungen auswichen und sich dann gleich wieder in Gruppen formierten. Walter und Anne kehrten nach dem ersten Schreck den Spieß um und verfolgten die Adler, woraufhin diese schließlich abließen und abflogen. Vermutlich war der Angriff durch die Nähe zum Horst aufgelöst. Kurzzeitig fehlten danach drei Vögel, aber schließlich setzte die ganze Formation den Flug fort.
Nach zwei Tagen Pause wollen wir die Reise am Montag fortsetzen, mit einer großen Etappe durch das Zillertal, über den Alpenhauptkamm und die Dolomiten bis nach Belluno. Insgesamt planen wir, in fünf Flugetappen die Strecke von insgesamt zirka 1.000 km zurückzulegen. Das Team besteht aus 17 Personen, mit 6 Fahrzeugen, drei Anhängern und zwei Fluggeräten. Mit dabei ist eine Aluminiumvoliere (9x12 Meter), die in ca. 1.5 Stunden auf- bzw. abgebaut werden kann.
Während der Migration werden wieder wissenschaftliche Daten gesammelt. Zum einen tragen alle Vögel Datenlogger am Rücken, die zehnmal pro Sekunde in hoher Auflösung die Position aufzeichnen und eine detaillierte Analyse der Flugtechnik und der Gruppendynamik zulassen. Zudem werden im Rahmen von zwei Flügen bei einigen Vögeln Blutproben genommen, um die physiologische und hormonelle Regulierung des Migrationsflugs zu untersuchen. Außerdem tragen alle Vögel Radiotelemetriesender, um sie gegebenenfalls mittels Richtantennen wiederzufinden.
16. 8. Menschengeführte Migration 2016
Am gestrigen Montag hatten wir den letzten Trainingsflug, eine wunderbare Rundtour über 60 Kilometer im Salzkammergut über den Fuschlsee, Wolfgangsee, Mondsee, Irrsee und Wallersee, mit einer Flughöhe von bis zu 1.300 Meter msl. Mit dabei waren 26 Waldrappe, eine sehr homogene und extrem gut motivierte Gruppe. Die Vögel haben schon teils eine sehr schöne V-Formation im Flug gezeigt, was mit ein deutliches Zeichen für ein erfolgreiches Training und eine zunehmende Zugmotivation ist.
Mit diesem Genussflug ist das Flugtraining für dieses Jahr abgeschlossen. Am kommenden Donnerstag, den 18. August, wollen wir die menschengeführte Migration 2016 beginnen, sofern es das Wetter erlaubt.
Die Route führt in diesem Jahr in fünf bis sechs Tagesetappen über ganz neues Terrain: Bramberg – Gerlospass – Zillertal – Pfitscherjoch – Bruneck – Belluno – Poebene – Podelta – Apennin – Laguna di Orbetello (Karte).
Wieder sind wissenschaftliche Datennahmen geplant. Zum einen sollen alle 26 Vögel GPS-Datenlogger tragen, die bis zu 10 Datenpunkte pro Sekunde in extrem guter Auflösung aufzeichnen. Dieser enorm große Datensatz soll zu einem noch differenzierten Verständnis des Migrationsflugs beitragen. Zudem wollen wir nach zwei langen Flügen von einigen Vögeln Blut abnehmen, um ein besseres Verständnis der physiologischen und hormonellen Regulierung der Migrationsflüge zu erlangen. Die Datennahmen erfolgen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Wir berichten wieder Tag für Tag auf unserer Facebookseite und unserer Homepage über die menschengeführte Migration; über einen Livetrack können die Flüge live mitverfolgt werden.
10. 8. Hoffnung für den Waldrapp: Internationales Expertentreffen in Seekirchen am Wallersee
Vom 4. – 7. August fand in Seekirchen am Wallersee, Salzburg, auf Einladung des Europäischen Artenschutzprojektes LIFE+ Reason for Hope ein internationales Symposium statt. 37 Wissenschaftler und Artenschutzexperten aus 13 Staaten diskutierten über die Umsetzung von Maßnahmen, um das Aussterben des Waldrapps zu verhindern und innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Herabstufung dieser Ibisart von der derzeit höchsten Bedrohungskategorie in der Roten Liste bedrohter Arten zu erreichen. Anlass für das Treffen war die Veröffentlichung eines internationalen Aktionsplans für den Waldrapp und die Erfolge bei den laufenden Forschungs- und Wiederansiedlungsprojekten in Europa.
Von den ehemals zahlreichen, im Nahen Osten, Nordafrika und Europa verbreiteten Waldrappkolonien sind in freier Wildbahn nur mehr rund 500 Vögel an der marokkanischen Atlantikküste übrig. Rund 3000 Tiere, die in Zoohaltungen leben und sich gut fortpflanzen, sind die Grundlage für Projekte, die eine Wiederansiedlung der Art in Teilen des ehemaligen Verbreitungsgebietes zum Ziel haben.
Es gibt gegenwärtig vier Artenschutzprojekte in Europa, die freifliegende Waldrappe halten. Zwei davon befinden sich in Österreich (Konrad-Lorenz Forschungsstelle in Oberösterreich und Tierpark Rosegg in Kärnten) und eines in Andalusien (Projecto Eremita).
Das vierte, umfangreichste Projekt wird von der Europäischen Union im Rahmen des LIFE+ Programms konfinanziert. Acht Partner unter der Leitung des Waldrappteams wollen drei Brutkolonien wildlebender Waldrappe ansiedeln. Projektleiter Johannes Fritz: „Der Großteil der Waldrappe, einschließlich der ehemaligen europäischen Bestände, lebte als Zugvögel. Unser Projekt ist der erste Versuch überhaupt, eine kontinental ausgestorbene Zugvogelart wieder mit ausgeprägtem Zugverhalten anzusiedeln. Unter anderem deshalb geht die Bedeutung dieses Projektes weit über den unmittelbaren Rahmen hinaus.“
Als Konsequenz des Treffens sollen in verschiedenen Teilen des ehemaligen Verbreitungsgebietes mit einheitlichen Methoden Machbarkeitsstudien und Lebensraumanalysen durchgeführt werden, sofern das die politische Situation erlaubt. Insbesondere im Nahen Osten ist derzeit an eine Wiederansiedlung des Waldrapps nicht zu denken. Zudem sind bei der Wahl potentieller künftiger Lebensräume für Waldrappe auch die Einflüsse des Klimawandels zu beachten. J Fritz: „Neben der erfreulichen Entwicklung der letzten wilden Population in Marokko sind es derzeit insbesondere die laufenden Projekte in Europa, die dem Motto unseres Projektes gemäß Grund zur Hoffnung geben“.
Wir bedanken uns beim Land Salzburg, vertreten durch Bundesrätin Heidi Reiter, für die finanzielle Unterstützung, sowie bei der Stadt Seekirchen, vertreten durch Vizebürgermeister Walter Gigerl, für die gute Zusammenarbeit bei der Planung der Veranstaltung. Das Ministerium für ein Lebenswertes Österreich war durch Ministerialrätin Enrica Seltenhammer vertreten.
20. 7. Shorty-Revival: Waldrapp „Hannibal“ in der Schweiz
Der Waldrapp Shorty hat im Herbst 2012 beim Flug in den Süden den Anschluss verloren und in Folge allein in der Schweiz am Zugersee überwintert. Seine Geschichte hat für viel Aufsehen gesorgt, insbesondere in der Schweiz. Nun gibt es neuerlich eine ähnliche Geschichte, diesmal geht es um das junge Weibchen „Hannibal“.
Das Weibchen Hannibal stammt aus dem Tiergarten Rosegg. Sie wurde von Pablo und Daniela aufgezogen und trainiert. Beim vorletzten Flug der Migration 2015 ist sie nördlich des Apennins verloren gegangen und blieb seitdem spurlos verschwunden.
Am 20. Juni 2016 wurde Hannibal ganz überraschend bei Mailand gesichtet. Von dort verschwand sie aber rasch wieder. Am 19. Juli tauchte sie dann im Schweizer Tessin auf, am Nordende des Langensees (Koordinaten 46.16476, 8.94410). Sie ist offensichtlich in guter Verfassung. Wie Shorty hat auch Hannibal einen Winter allein auf sich gestellt überlebt. Bei ihr ist das fast noch überraschender, denn während Shorty als Wildvogel aufgewachsen ist, wurde Hannibal von menschlichen Zieheltern aufgezogen und war bis zum Verschwinden wohl behütet und umsorgt.
Wir wollen nun in Zusammenarbeit mit unseren Schweizer Partnern versuchen Hannibal zu fangen um sie in die Wildpopulation zu integrieren. Eine entsprechende Fanggenehmigung wurde bereits beantragt. Da der Vogel keinen GPS-Sender trägt, sind wir auf Sichtungsmeldungen angewiesen und hoffen auf Informationen aus der Bevölkerung.
Das Flugtraining in Seekirchen am Wallersee macht einstweilen gute Fortschritte. Wie berichtet, mussten wir die beiden Gruppen ja schon Mitte Juni zusammenführen. Das ungeplante Experiment entwickelt sich sehr spannend. Gestern sind 27 Vögel dem Fluggerät auf eine Wiese gefolgt. Am Rückweg sind wir extra einen Umweg geflogen, um den Vögeln die Entscheidung abzuverlangen, entweder dem Fluggeräte zu folgen oder auf direktem Weg retour zu fliegen. Sie sind beim Fluggerät geblieben, was ein sehr gutes Zeichen ist; sie haben verstanden um was es geht und sie sind gewillt mitzufliegen. Das ist keinesfalls selbstverständlich, zumal ja die Hälfte der Vögel nicht auf die beiden Ziehmütter Corinna und Anne geprägt ist.
Foto (Sandra Lagattolla): Ein Foto von Hannibal im Tessin. Sie wurde dort in Gesellschaft von Graureihern und Kormoranen gesichtet. Auch Shorty hat sich im Winter mit verschiedenen Vogelarten vergesellschaftet.
12. 7. Offizieller Projektbesuch einer Delegation der Europäischen Kommission
Die Wiederansiedlung des Waldrapp in Europa wird von der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen des LIFE+ Programms kofinanziert. LIFE ist das größte Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt-, Naturschutz und Klimaprojekten. Seit 1992 wurden im Rahmen des LIFE-Programmes mehr als 4000 Projekte finanziert. In der Förderperiode 2014-2020 sind im Programm ca. 3,4 Milliarden Euro für den Schutz der Umwelt und des Klimas vorgesehen. Ein Schwerpunkt des Programms ist die Umsetzung von Naturschutz- und Biodiversitätsmaßnahmen in Natura2000 Schutzgebieten. Projekte ohne Bezug zu Natura2000 Gebieten werden insbesondere dann gefördert, wenn sie einen ausgeprägten Innovations- und Demonstrationscharakter haben. In diese Kategorie fällt unser Projekt.
Einmal in der Laufzeit jedes LIFE+ Projektes ist ein offizieller Besuch einer LIFE+ Delegation vorgesehen und dieser fand vergangene Woche statt. Die Delegation bestand aus zwei Vertreterinnen der LIFE+ Unit an der Europäischen Kommission sowie dem sogenannte Monitor, der im Auftrag der Europäischen Kommission unser Projekt begleitet und beaufsichtigt. Wesentlichster Teil des Besuches war eine detaillierte Prüfung der technischen und finanziellen Aktivitäten des Projektes. Der Delegation konnte nach 2,5 Jahren Laufzeit eine positive Zwischenbilanz des LIFE+ Projektes präsentiert werden. Die Population besteht aktuell aus rund 95 Tieren; sie liegt damit deutlich über der Zahl von 85 Tieren, die im Projektantrag zur Halbzeit des sechsjährigen Projektes vorgesehen ist.
Zudem besichtigte die Delegation auch das Trainingscamp in Seekirchen am Wallersee, Land Salzburg, sowie die Brutkolonie in Burghausen, Bayern. Ein Highlight war das Flugtraining mit den 32 handaufgezogenen Waldrappen in Seekirchen. Im Anschluss wurden die beiden Kommissionsvertreterinnen mit zwei Ultraleicht-Fluggeräten nach Burghausen geflogen, pilotiert vom Profipiloten des Projektes, W Holzmüller, und vom Projektleiter J Fritz.
Abgeschlossen wurde der Besuch mit einem Essen auf Einladung der Stadt Burghausen, die das Projekt seit 2004 fördert und seit 2014 Partner im LIFE+ Projekt ist. In Burghausen lässt sich der Erfolg des Projektes in besonders eindrücklicher Weise zeigen. Die über der Burg kreisenden Waldrappe sind inzwischen ein vertrautes Bild und seit 2014 brüten diese hochbedrohten Zugvögel in der Burganlage auf der Wehrmauer.
Der offizielle Bericht der Europäischen Kommission zu diesem Besuch steht noch aus, aber das vorläufige Feedback war durchaus positiv.
24.6. Grundlagenforschung und Veterinärscreening
Ein Treffen in Wien am 2. Juni war der Auftakt für ein neues, interdisziplinäres Forschungsprojekt mit den Waldrappen im Rahmen der menschengeführten Migration. Damit soll eine Serie von überaus erfolgreichen Datennahmen und Publikationen fortgesetzt werden. Seit 2014 wurden in einer Reihe von Publikationen in hochrangigen Wissenschaftsjournals, bis hin zu einer Coverstory in NATURE, Daten zur Funktion, Energetik, Physiologie und Dynamik des Vogelflugs veröffentlicht. Eine Zitatliste findet sich unten an.
Die Grundlagenforschung war auch von unmittelbarem Nutzen für die Umsetzung des Artenschutzprojektes. Sie führte unter anderem zu einem wesentlich differenzierteren Verständnis des Migrationsflugs der Waldrappe und damit zu einer sehr weitreichenden Optimierung der menschengeführten Migration.
Eine Konsequenz der Grundlagenforschung ist auch ein kontinuierliches, sehr umfassendes veterinärmedizinisches Screening der gesamten angesiedelten Population in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Dieses Screening geht weit über den für Artenschutzprojekte üblichen Rahmen und den in den IUCN Reintroduction Guidelines geforderten Umfang hinaus.
Dem aktuellen Screening zufolge sind sowohl die Wildpopulation als auch die gegenwärtig aufgezogenen 32 Jungvögel gesund und vital. Neben der für Waldrappe autochthonen Bakterienflora wurden auch potentiell pathogene Bakterienarten nachgewiesen, insbes. Escherichia, Clostridium und Campylobacter. Diese haben beim Waldrapp aber offenbar keine klinische Bedeutung, was auf ein kommensalistisches Zusammenleben dieser Bakterien mit ihrem Wirt hinweist. Dies lässt auf ein vitales Immunsystem schließen, was im Rahmen der Wiederansiedlung von wesentlicher Bedeutung ist.
Das neue Forschungsprojekt soll neben der Fortführung und Auswertung des Veterinärscreenings insbesondere eine differenzierte Untersuchung der physiologischen Anpassung und der hormonellen Regulation der Migrationsflüge zum Inhalt haben. Datennahmen sollen wiederum insbesondere im Rahmen der menschengeführten Migration durchgeführt werden. Mit dabei sind bei dem Projekt verschiedene Institute der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Universität Wien.
Portugal SJ, Hubel TY, Fritz J, Heese S, Trobe D, Voelkl B, Hailes S, Wilson AM & Usherwood JR 2014. Upwash exploitation and downwash avoidance by flap phasing in ibis formation flight. Nature, 505, 399-402.
Voelkl B, Portugal SJ, Unsöld M, Usherwood JR, Wilson AM & Fritz J 2015. Matching times of leading and following suggest cooperation through direct reciprocity during V-formation flight in ibis. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112/7, 2115–2120.
Bairlein F, Fritz J, Scope A, Schwendenwein I, Stanclova G, van Dijk G, Meijer HAJ, Verhulst S & Dittami J 2015. Energy Expenditure and Metabolic Changes of Free-Flying Migrating Northern Bald Ibis. PLoS ONE 10(9): e0134433.
13. 6. Bewegung im Strafprozess gegen den Vogeljäger
Im Oktober 2012 wurden in der Provinz Livorno in Italien die beiden Waldrappe Goja und Jedi abgeschossen. Dies waren leider bei weitem nicht die einzigen Abschüsse. Im Zeitraum 2002 bis 2013 waren rund 70 % der Verluste bei den ausgewilderten Waldrappen der illegalen Jagd in Italien zuzuordnen (Fritz & Unsöld 2015). Der Abschuss von Goja und Jedi war aber insofern besonders, als erstmals der verantwortliche Jäger identifiziert werden konnte.
Seit 2012 läuft ein Strafprozess gegen den Jäger. Wir haben eine italienische Rechtsanwältin beauftragt, unsere Interessen zu vertreten. Seitdem wurden die Vorbereitungen für den Prozess immer wieder verzögert, wohl sehr im Interesse des Beschuldigten, denn im Oktober 2017 läuft die Frist ab innerhalb derer der Prozess geführt sein muss.
Nun gab es aber eher überraschende Fortschritte. Am 27. Mai war eine Anhörung, bei der erstmals unsere Mitarbeiterinnen Anne Schmalstieg und Daniela Trobe nebst den Beamten der Provinzialpolizei und Anderen als Zeugen geladen waren. Die Befragung unserer Mitarbeiterinnen, in Anwesenheit eines professionellen Übersetzers, war lang und ausgiebig. Sie ist nach Auskunft unserer Rechtsanwältin gut gelaufen. Zudem ist es als gutes Zeichen zu werten, dass der nächste Gerichtstermin bereits für den 1. Juli festgesetzt wurde.
Die Verurteilung des Jägers wäre ein wichtiger Erfolg für unser Engagement gegen die illegale Vogeljagd in Italien. Es wäre ein Signal, dass illegale Abschüsse keine Bagatelle und kein „Kavaliersdelikt“ sind, sondern ein strafrechtlich relevantes Vergehen. Wir reichen zudem gegen den Jäger auch eine zivilrechtliche Klage auf Schadenersatz ein.
Zusätzlich zum Prozess werden seit Beginn des LIFE+ Projektes im Jahr 2014 eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Jagd in Italien umgesetzt. Diese Maßnahme zielen insbesondere darauf ab mit den Jägern positive und kooperative Kontakte zu etablieren. Dazu gehören die Information der Jäger bei Jagdmessen und verschiedenartige Kooperationen mit Jagdverbänden. Seitdem hat sich die Rate der Verluste durch illegale Jagd in Italien bereits deutlich vermindert.
10. 4. Ein spannender Start in die Saison 2016
Gestern sind die ersten 16 Küken für die Handaufzucht im Tiergarten Schönbrunn angekommen. Sie stammen alle aus der Brutkolonie des Tierpark Rosegg in Kärnten. Eine Woche später werden weitere 16 Küken dazu kommen, teils wiederum aus der Brutkolonie des Tierpark Rosegg, teils aus jener der Konrad-Lorenz Forschungsstelle in Grünau in Oberösterreich.
Insgesamt vier Ziehmütter kümmern sich um die Vögel. Eine Gruppe wird vom altbewährten Team Corinna Esterer und Anne-Gabriela Schmalstieg aufgezogen, die zweite von Rachele Trevisi und Milena Klumb. Die beiden Gruppen werden gänzlich getrennt gehalten. Erst Ende Juli führen wir die Vögel während des Flugtrainings zusammen, um sie im August gemeinsam vom Brutgebiet aus in das Wintergebiet zu führen.
Die Küken werden im Alter von 3-9 Tage aus den Nestern genommen, mit einem Gewicht von 100-400 Gramm. Ältere Küken sind problematisch, da sie schon sehr an die biologischen Eltern gewöhnt sind und sich schwer an die Handaufzucht gewöhnen. Ab dem 17. April können die Besucher des Tiergarten Schönbrunn die Handaufzucht im Zoo beobachten. Der Aufenthalt im Zoo endet, wenn der älteste Vogel in der Gruppe 35 Tage alt ist. In dem Alter werden die Vögel mobil und beginnen das Umfeld zu erkunden. Dann ist es Zeit in das Trainingscamp in Seekirchen am Wallersee zu wechseln.
Auch die Wildvögel sind aus dem Wintergebiet aufgebrochen. Ein Vogel, Jazu, ist bereits im Brutgebiet Burghausen angekommen. Weitere 13 Vögel sind am Weg, teils schon in Österreich, Großteils noch in Italien. Weitere Vögel werden wohl bald noch im Wintergebiet aufbrechen. Wir dürfen somit auf eine gute Brutsaison hoffen.
Die Aufenthaltsorte und Flugbewegungen alle Vögel können - meist tagesaktuell - auf der App Animal Tracker verfolgt werden.
23. 3.: Die Frühjahrsmigration hat begonnen
Am 19. März ist das Männchen Jazu gemeinsam mit dem Artgenossen Salem aus der Toskana aufgebrochen. Dieser Auftakt für die Frühjahrsmigration erfolgte rund eine Woche früher als in allen vorangegangenen Jahren. Die beiden Vögel flogen zügig an den Südrand der Alpen und blieben dort vorerst wegen Schlechtwetter hängen. Am Ostersonntag, dem 27. März, überquerte Jazu die Alpen und am Morgen des 28. März landete er auf der Voliere in Burghausen. Sein Artgenosse hält sich vorerst immer noch südlich der Alpen auf. Inzwischen sind auch noch weiteren Vögel aufgebrochen und am Weg in die beiden Brutgebiete Burghausen in Bayern und Kuchl in Salzburg.
Die Abflüge aus der Toskana erfolgen gewöhnlich sukzessive und altersabhängig. Die erfahrenen Altvögel fliegen zuerst, die jüngeren Brutvögel folgen und schließlich macht sich dann auch noch ein Teil der noch nicht geschlechtsreifen subadulten Vögel auf den Weg. In der Regel fliegen die Tiere alleine oder in Paaren, selten in größeren Gruppen. So ist der Ablauf der Frühjahrsmigration deutlich unterschiedlich von jenem der Herbstmigration.
Die Ankunft von Jazu hatte auch noch einen anderen erfreulichen Aspekt. Im vergangenen Jahr wurde die Brutgruppe in Burghausen von der bisherigen, temporären Anlage am Stadtrand (Laimgrube) an die Wehrmauer der Burg zu Burghausen umgesiedelt. Zu dem Zweck wurden die Vögel nach ihrer Ankunft in der Laimgrube gefangen und in einer Voliere an der Wehrmauer gesperrt. Erst als die Eier gelegt waren, wurde die Voliere geöffnet. Jazu ist in diesem Jahr direkt an die Wehrmauer geflogen. Er hat damit gezeigt, dass der neue Brutstandort für die Vögel attraktiv und adäquat ist. Das ist ein wichtiger Erfolg für das LIFE+ Projekt.
Jazu ist in diesem Jahr als erster Zugvogel in Burghausen angekommen. Aber er ist dort nicht allein. Wie in den Jahren zuvor, wurden zeitgerecht bruterfahrene Vögel in beiden Brutgebieten in temporär aufgerichtete Volieren gebracht. Sie gehören nicht zur angesiedelten, migrierenden Gruppe und sollen den Reproduktionserfolg der Wildvögel erhöhen. Vor Beginn der Herbstmigration werden sie wieder aus den Gruppen entfernt. Ein Vogel aus der Gruppe in Burghausen ist das Weibchen Shorty. Sie ist seit Jahren der Brutpartner von Jazu. Somit ist Jazu jetzt schon schwer mit dem Balzen beschäftigt.
Foto: Unser Mitarbeiter in Burghausen, Oliver Habel, hat die Voliere an der Wehrmauer der Burg zu Burghausen für Jazu geöffnet. Er ist willig hineingekommen und hat bald mit der Balz begonnen. Für einige Wochen werden die Vögel wieder in der Voliere gehalten, bis die Brut begonnen hat.
Waldrappe als Teil des European Rewilding Network
Inzwischen sind alle unsere Waldrappe in ihrem Überwinterungsgebiet in der WWF Oasi Laguna di Orbetello angekommen. Wie bereits 2014 war auch die diesjährige Herbstmigration eine schwierige Aufgabe.
Auch diesmal verließen die Waldrappe ihre Brutgebiete, die meisten von ihnen sammelten sich dann nördlich der Alpen in der Nähe des Salzburger Flughafens und blieben dort. Ende Oktober begannen wir deshalb, die Vögel in kleinen Gruppen von Salzburg aus über kurze Strecken zu transferieren, etwa ins Zillertal nach Tirol oder über den Brenner. Von dort aus flogen die Waldrappe dann weiter in Richtung Süden. Wir gehen davon aus, dass diese Abweichungen vom „klassischen Migrationsmuster“ in den Jahren 2014 und 2015 vor allem in den außergewöhnlich milden klimatischen Bedingungen begründet sind (2014/15 waren die wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen).
Es ist eine große Herausforderung, sowohl für wandernde Arten wie den Waldrapp als auch für den Naturschutz, mit diesen unglaublich schnellen und erheblichen Umweltveränderungen konfrontiert zu sein. Bezogen auf den Waldrapp ist diese Herausforderung besonders hoch, vor allem auf Grund der noch jungen Migrationstradition mit nur wenigen erfahrenen Migranten. Dank einer verbesserten Methodik bei der menschengeführten Migration und der hohen Reproduktionsrate in der Wildpopulation sind wir auf dem Weg, die Anzahl erfahrener Migranten in unserer Waldrapp-Population in den kommenden Jahren stetig zu steigern.
Das Waldrapp-Projekt wurde vor kurzem Teil des European Rewilding Network. Ziel dieses Projekts ist es, ein aktives und lebendiges Netzwerk von Auswilderungsinitiativen in ganz Europa zu schaffen. Für weitere Informationen klicken Sie bitte hier.
Foto: Vor kurzem wurden uns vom Max-Planck-Institut für Ornithologie solarbetriebene GPS-Tracker zur Verfügung gestellt. Diese wertvolle Unterstützung war dringend notwendig, da das Management und das kontinuierliche Nachladen der batteriebetriebenen Sender bei bis zu 70 freilebenden Waldrappen immer schwieriger wurden.