17. 10. Spannende HerbstmigrationEs ist schon einige Zeit vergangen, seit wir am 2. September mit den handaufgezogenen Jungvögeln in der Toskana angekommen sind. Nach einigen Wochen Eingewöhnung in der Voliere sind diese Vögel nun ausgewildert und haben sich mit den wilden Waldrappen sozialisiert. Die Ziehmutter Lisa Kern ist vergangenes Wochenende aus der Toskana nach Hause gefahren. Helena Wehner bleibt noch einige Zeit bei den Jungvögeln, um sie weiter zu beobachten. Insgesamt sind momentan rund 100 Waldrappe im Wintergebiet und es werden beständig mehr, denn derzeit findet die Herbstmigration statt. Bislang sind 22 Vögel im Wintergebiet angekommen. Dazu zählen die zwei adulten Vögel Francesco und Liethe, die fünf Jungvögel aus der Brutkolonie Rosegg in Kärnten in das Wintergebiet geführt haben. Diese Gruppe ist am 5. September um 20:00 Uhr im Wintergebiet angekommen und 12 Stunden zuvor, um ca. 08:00 Uhr von ihrem Schlafplatz nahe Venedig aufgebrochen. An diesem Tag haben sie ca. 390 Kilometer zurückgelegt. Das ist die bislang weiteste dokumentierte Tagesetappe. Bemerkenswert ist, dass die fünf unerfahrenen Jungvögel über diese ganze Strecke offenbar gut mithalten konnten. Somit entwickelt sich auch die in Rosegg gelegene vierte Brutkolonie gut. Dort versuchen wir einen ganz neuen, spannenden Ansatz: Wir wollen die im Tierpark Rosegg ansässige, sedentäre Waldrapp-Kolonie sukzessive in die migrierende Wildkolonie integrieren. Dazu bringen wir die Jungvögel aus dieser Kolonie mit zugerfahrenen Altvögeln der wilden Population zusammen, denen die Jungvögel ins Wintergebiet folgen können. Die Methode ist vielversprechend, denn es gibt inzwischen schon erwachsene, migrierenden Rosegger Waldrappe, die 2022 erstmals erfolgreich gebrütet haben. Rosegg ist die erste Brutkolonie südlich des Alpenhauptkammes. Ab 2023 wollen wir mit der Gründung der fünften Brutkolonie beginnen. Auch sie soll südlich der Alpen angesiedelt werden, im Areal unseres Partners Parco Natura Viva in Bussolengo bei Verona. Ein spannendes Zugverhalten zeigt auch das handaufgezogenen Männchen Ingrid. Der Jungvogel ging während einer Etappe der menschengeführten Migration verloren und tauchte einige Tage später im Bayerischen Alpenvorlang auf. Dort konnte er besendert werden. Wenige Tag später war er bereits in der Ostschweiz und flog am 3. Oktober im Alpenvorland weiter nach Westen. Nachdem er die Barriere der Alpen umflogen hatte, folgte er geradlinig einem Kurs nach Süd-West, quer durch Frankreich bis an den Südrand der Pyrenäen. Diese Flugroute von Ingrid bestätigt ein uns bereits bekanntes, spannendes Phänomen: Jungvögel, die ohne die Leitung durch erfahrene Artgenossen fliegen, folgen meist geradlinig einem Kurs Süd-West. Dieser Kurs wird erst abgeändert, wenn sie auf erfahrene Artgenossen stoßen, denen sie sich anschließen, oder wenn sie auf eine Barriere stoßen, die sie am geradlinigen Weiterflug hindert. Damit ist Ingrid nun mit den Pyrenäen konfrontiert. Wir werden seinen Flug danke des Senders weiterverfolgen. Übrigens war auch Ingrid mit Tagesetappen von bis zu 350 km unterwegs. Der Großteil der Vögel aus den drei nördlichen Brutkolonien hält sich noch im Alpenvorland auf, etwa 43 Vögel im Land Salzburg und 31 Vögel im Umfeld bei Überlingen am Bodensee. Wann diese Vögel aufbrechen, ist nicht vorherzusagen. Mit besonderer Spannung beobachten wir die Kolonie in Überlingen. Im Vorjahr begann diese Gruppe erst spät im November mit den Anflügen gegen die inzwischen tief verschneiten Alpen und konnte diese nicht mehr überfliegen. Wir mussten die Vögel nach Südtirol bringen, von wo der Weg in den Süden für sie frei war. |