17. 11. Verzögerte Herbstmigration
Der Verlauf der Herbstmigration verzögert sich auch in diesem Jahr. Am 22. November saßen immer noch 34 Vögel der beiden Brutkolonien Burghausen und Kuchl im Großraum von Salzburg. Zur Hälfte sind es Jungvögel, zur Hälfte adulte Vögel.
Allerdings sind bereits am 31. Oktober und am 17. November Vögel dieser beiden Kolonien über die Alpen nach Italien migriert. Insgesamt 15 adulte Vögel haben den Überflug geschafft. Bei den Jungvögeln ist die Situation nicht so klar, da ein wesentlicher Teil von ihnen nicht besendert ist. Wir wissen jedenfalls, dass fünf Jungvögel ebenfalls migriert sind. Von weiteren acht Jungvögeln fehlen uns aktuelle Informationen. Wir vermuten, dass auch sie bei diesen Überflügen mit dabei waren.
Das ist keine schlechte Zwischenbilanz für dieses Jahr, zumal wir hoffen, dass das Wetter noch weiteren Vögeln den Überflug ermöglicht. Spannend ist zudem, dass vermutlich auch vier (ebenfalls unbesenderte) Jungvögel aus der Kolonie der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau bei den bisherigen Überflügen mit dabei waren. Insgesamt haben sich 12 Grünauer Jungvögel zu unserer Gruppe in Salzburg gesellt, von denen aktuell nur mehr acht Vögel vor Ort sind.
Der Großteil der Vögel querte die Ostalpen, indem sie über das Krimmler Achental und einen rund 2.600 Meter hohen Pass ins Südtiroler Ahrntal fliegen. Der besenderte Jungvogel Nene flog, nachdem er den Kontakt zur Gruppe verloren hatte, einen wesentlich anspruchsvolleren Kurs östlich am Großglockner vorbei. Seine höchste gemessene Flughöhe lag bei 3.120 Metern. Der Vogel sitzt nun in Osttirol und wir hoffen, dass er Anschluss zu den Rosegger Vögeln bekommt und ihnen in das Wintergebiet folgen kann.
Die Überlinger Kolonie verzeichnete im Herbst sowohl spannende Erfolge als auch schmerzliche Verluste. In den vergangenen Jahren haben die Vögel immer versucht, die Westalpen in Graubünden zu überfliegen. Dabei sind sie aber immer gescheitert. Daher haben wir in diesem Jahr versucht, durch den Transfer von Vögeln alternative Migrationsrouten zu initiieren.
Bereits Anfang Oktober wurden elf adulte Vögel nach Südtirol gebracht und im Etschtal freigelassen. Von dort setzten sie ihre Reise selbstständig in Richtung Süden fort.
Ebenfalls Anfang Oktober wurden fünf Jungvögel der Überlinger Kolonie in die Ardèche nach Frankreich transferiert, in der Hoffnung, dass sie von dort aus in Richtung des neuen Wintergebietes in Andalusien fliegen. Grundlage für dieses Experiment waren mehrere dokumentierte Fälle aus den vergangenen Jahren, in denen unbegleitete Jungvögel eine deutliche Südwest-Tendenz zeigten und teils in die Nähe oder direkt ins Gebiet der sesshaften andalusischen Kolonie gelangten.
Flug von Waldrapp „Tinizong“: Fünf Jungvögel wurden in der Ardéche freigelassen. Zwei Jungvögel erreichten das Cordobatal nach einer Flugstrecke von mehr als 2.000 Kilometern. Einer der beiden ist seitdem verschollen, Tinizong hält sich nur 250 Kilometer vom Wintergebiet in Andalusien auf.
Der Transfer zeigte Erfolge: Vier der Jungvögel flogen von der Ardèche aus rasch in die erhoffte Richtung und überquerten die Grenze nach Spanien. Dort verstarb leider einer der Vögel, ein weiterer wird vermisst. Zwei Vögel jedoch setzten ihre Reise fort. Nach einer Flugstrecke von insgesamt mehr als 2.000 Kilometern erreichten sie das Cordobatal und kamen damit sehr nahe an das Zielgebiet. Leider wird inzwischen auch einer dieser beiden Vögel vermisst, während der andere, Tinizong, sich nur noch 250 Kilometer von der andalusischen Population entfernt aufhält.
Der fünfte Jungvogel, Landi, kehrte zunächst in die Schweiz zurück, überquerte anschließend die Alpen und flog weiter nach Italien. Aktuell hält er sich in der Nähe von Turin auf, wo er gute Chancen hat, auf andere Waldrappe zu treffen.
Eine Gruppe aus zwei adulten und sechs jungen Vögeln blieb in Überlingen. Leider starben ein adulter Vogel und ein Jungvogel noch im Brutgebiet. Mitte Oktober flog die verbleibende Gruppe aus sechs Vögeln in die Westschweiz, bis nach Martigny südlich des Genfersees. Dort verunglückten tragischerweise drei Jungvögel, vermutlich durch Stromschlag.
Die verbliebenen drei Vögel überquerten am 4. November die Westalpen und überwanden dabei östlich von Mont Vélan einen 2.800 Meter hohen Pass. Doch auch hier folgten weitere Verluste: Ein Adulttier und ein Jungvogel wurden wenige Tage später in den Apenninen abgeschossen. Der letzte Jungvogel, Liesl, hält sich seitdem in dieser Region auf.
Somit musste die Überlinger Kolonie in diesem Jahr erhebliche Verluste hinnehmen. Sie überschatten die Erfolge dieser Saison, wie die durch das „Attrappen-Nest“ initiierte erfolgreiche Brut aller Vögel an der Felswand am Bodensee, die bemerkenswerten Flüge der transferierten Jungvögel und schließlich der Überflug der Westalpen. Wir können nur auf eine bessere nächste Saison hoffen und unsere Initiativen gegen Stromtod und illegale Vogeljagd fortsetzen.
Gebremst durch den Mistral geht es weiter nach Südfrankreich (30. 08. 2024)
An drei aufeinanderfolgenden Tagen erreichte das Team von Hütten-Hotzenwald im Schwarzwald ausgehend nach 400 Kilometer Flugstrecke den Flugplatz Perouge bei Lyon. Der Start in Hütten-Hotzenwald gestaltete sich allerdings schwierig. Die Vögel folgten nur zögerlich und letztlich kehrten 23 Vögel nach kurzem Flug um und flogen zurück zum Platz. Mit den restlichen 13 Vögeln hatte das Team einen sehr schönen Flug nach Besançon.
Bei den beiden folgenden Etappen folgten alle 36 Vögel dann wieder, ohne zu zögern. Als wir allerdings am Tag nach der Ankunft in Perouge versuchten, eine vierte Etappe in Folge zu fliegen, kehrten fast alle Vögel nach rund 10 Kilometer um und flogen zurück zum Flugplatz, sodass wir den Flug abbrechen mussten.
Wir gehen davon aus, dass die Vögel in Hütten-Hotzenwald infolge des längeren Aufenthalts in einem Pausenmodus waren und deshalb nur unwillig folgten. Ein derartiges Phänomen kennen wir von vielen früheren Migrationen. Über Kurz oder Lang folgen die Vögel dann aber wieder in gewohnter Weise, und das war auch diesmal der Fall. Der Abbruch in Perouges dürfte eine andere Ursache gehabt haben. Wir waren die drei vorangegangenen Tage geflogen und es wäre das erste Mal überhaupt in der Geschichte des Projektes gewesen, dass wir an vier aufeinanderfolgenden Tagen fliegen. Aber das war für die Vögel dann wohl doch eine zu große Herausforderung, sie haben eine Pause benötigt und das auch deutlich gezeigt.
Eine Migration ist natürlicherweise ein Wechsel zwischen physiologisch unterschiedlichen Flugphasen und Pausen. Es ist eine Zeit in der die Vögel physiologische Limits erreichen und potentiell überschreiten. Bei der menschengeführte Migration ist das nicht anders und immer wieder eine spannende Herausforderung, das resultierende Verhalten der Vögel zu beobachten und richtig zu interpretieren, um darauf entsprechend zu reagieren.
Die zum Flugplatz Hütten-Hotzenwald zurückgekehrten Vögel haben wir in Transportboxen zum Flugplatz Besançon gefahren, wo das Flugteam inzwischen mit den 13 Vögeln gelandet war. Derartige Transport von Vögeln gibt es bei fast jeder menschengeführten Migration. Da das Hantieren der Vögel ausschließlich durch die Zieheltern erfolgt, ist der Stress für die Vögel gering. Außerdem haben wir keinen Hinweis darauf, dass kleinräumigen Transporte während der Migration einen Effekt auf das spätere Verhalten der Vögel haben. Im weiteren Verlauf dieser Reise werden wir die Vögel auch planmäßig transportieren, insbesondere um Lufträume zu durchqueren, die für uns gesperrt bleiben. Konkret gilt das für die Region der Küstenstadt Reus südlich von Barcelona. Dort sind militärische und zivile Lufträume ineinander verschachtelt und ein großräumiges Umfliegen ist wegen des schwierigen Terrains zu risikoreich.
Die durch den Mistral bedingten drei Pausentage in Perouges haben den Vögeln ebenso gutgetan wie dem Team. Mittlerweile ging es weiter. Heute am 29. August haben wir den Flugplatz Narbonne in Südfrankreich erreicht. Von hier führt die nächste Etappe dann schon nach Spanien. Wir möchten uns ganz herzlich bei den Fliegern des Flugplatzes Perouge bedanken, die uns bereits zum zweiten Mal mit großer Gastfreundschaft empfangen und einen sehr schönen Aufenthalt ermöglicht haben!
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