Dorsche in Inn und Salzach
Unser Süßwasserdorsch, lebt versteckt zwischen den Steinen der Uferbefestigung von Salzach und Inn.
„Die Aalraupe, Quappe oder Trusche ist 3 Fuß lang und 3 bis 10 Pfund schwer und findet sich in den Süßwässern ganz Europas, vornehmlich in den Schweizer Seen. Sie ist der einzige Schellfisch des Süßwassers und einer der schmackhaftesten Fische Deutschlands, namentlich ist die Leber sehr wohlschmeckend.“ So nachzulesen in Meyer`s Konversationslexikon von 1871.
Die Rutte, auch Aalquappe genannt (Lota lota, Linne 1758), lebt in fließenden und stehenden Gewässern Europas. Die Quappen zählen zu den ältesten der Unterfamilie der Dorsche. Sie entwickelten sich aus der Gattung Palaeogadus, die bereits im Oligozän, also vor 35 Millionen Jahren, gelebt haben. Bei den Lotinae ist interessant, dass ihnen außer einigen Meeresformen auch ein reiner Süßwasserfisch, Lota, angehört. In europäischen Gewässern wie Salzach und Inn beträgt die durchschnittliche Länge des Fisches 30 bis 6o cm, während die sibirische Rasse über 1 m lang und bis 25 kg Gewicht erreichen kann.
Die Rutte, wie dieser Süßwasserdorsch in unserer Gegend genannt wird, hat einen breiten, abgeflachten Kopf, einen drehrunden, walzenförmigen und dicken Leib, mit hinten zunehmend seitlich abgeflachtem Körper, Schwanz seitlich zusammengedrückt. Das Maul der Rutte ist leicht unterständig und trägt am Kinn einen langen Bartfaden, das äußere Zeichen der Dorsche. Hinter den Nasenlöchern befinden sich außerdem noch 2 sehr kurze Barteln und die Kiefer sind mit feinen Hechelzähnen bewehrt. Auf der Haut befinden sich zarte, kleine Schuppen. Auf der Oberseite und auch auf den Flossen trägt sie eine olivgrüne bis dunkelbraune Marmorierung auf gelber, hellbrauner oder brauner Grundfarbe. Die Seiten sind etwas heller gefärbt, während die Unterseite ein schmutziges Weiß zeigt. Die 2 Rückenflossen sind weichstrahlig, die erste ist kurz während die zweite Rückenflosse fast über die halbe Körperlänge reicht. Die Afterflosse ist auffällig lang, die Bauchflosse kehlständig, die Schwanzflosse abgerundet.
Der wundervoll gezeichnete Fisch ist in Seen in größerer Tiefe bis 200 m und noch tiefer anzutreffen und kommt in den Alpen bis auf 1200 m Seehöhe vor. Er lebt räuberisch und bevorzugt kühle, klare, stehende oder langsam fließende Gewässer mit kiesigem Grund und Unterschlupfmöglichkeiten. Einen idealen Lebensraum für diesen Süßwasserdorsch bieten Salzach und Inn. Die Rutte ruht tagsüber in Schlupfwinkeln unter Steinen und Wurzelwerk. Erst bei Beginn der Dunkelheit stellt der nachtaktive Fisch seiner Nahrung nach. Diese besteht bei erwachsenen Tieren hauptsächlich aus Fischen. Während der kalten Jahreszeit entwickeln die Rutten den größten Appetit und gelten vor allem in Forellengewässern als Laich- und Bruträuber. Im Sommer nehmen sie nur wenig Nahrung zu sich und in südlichen Gebieten stellen sie während der warmen Jahreszeit die Nahrungsaufnahme oft völlig ein. Ihre Laichzeit liegt zwischen November und März. In den Flüssen wandern sie oft in Scharen kurze Strecken flussaufwärts in flacheres Wasser oder in kleinere Zuflüsse. Die Männchen versuchen vor den Weibchen am Laichplatz anzukommen. Über sandigem oder kiesigem Grund erfolgt die Paarung in der Nacht. Dabei drängen sich die Fische zu kugelförmigen Gebilden zusammen, wobei jeder Fisch versucht, in der Mitte der Gruppe Eier oder Samen zu hinterlassen. Die 1 bis 1,2 mm großen bernsteinfarbenen oder auch orangen Eier sinken auf den Grund und reifen innerhalb von 6 bis 10 Wochen. Die Eier enthalten eine Ölkugel und können auch im Wasser schweben. Ein Weibchen kann bis zu 500 000 Eier pro Kg Körpergewicht absetzen. Die 3 mm langen Larven, die aus den Eiern schlüpfen, leben pelagisch in den oberen Wasserschichten, wo sie sich von Plankton ernähren. Mit 6 bis 7 mm Länge gehen sie ins Flachwasser der Uferzonen und halten sich ständig in der Nähe das Bodens auf, wo sie auch auf Nahrungssuche gehen. Die jungen Fische wählen als Beute bodenlebende Wirbellose wie Würmer, Insektenlarven, Krebschen, Schnecken und Muscheln. Im Herbst sind die jetzt dunkel gefärbten Jungfische etwa 10 cm lang. Am Ende des 1. Lebensjahres erreichen sie eine Länge von etwa 15 cm, am Ende des 2. um die 25 cm. Während die Männchen die Geschlechtsreife Ende des 3. Lebensjahres erreichen, sind die Weibchen erst am Ende des 4. Lebensjahres geschlechtsreif. Danach wachsen die Rutten zunehmend langsamer und werden bei uns etwa 10 bis 12 Jahre alt. Das Ruttenvorkommen in unseren Gewässern ist oft Schwankungen unterworfen und gibt ungelöste Rätsel auf. So wurde von Rutteninvasionen in bayerischen Gewässern berichtet. An Gewässerabschnitten mit bisher mäßigem Bestand konnten plötzlich Rutten in großen Mengen gefangen werden. An anderen Gewässerstrecke dagegen, die jahrelang einen guten Bestand aufwiesen, waren sie rätselhafterweise verschwunden, bei gleichbleibender Gewässergüte und unveränderter Gewässerstruktur.
Im Inn lebt die Rutte in größerer Stückzahl im Unterwasser der Stauwerke in den Steinverbauungen und in der Salzach mitten in Burghausen links und rechts in den Steinverwerfungen beiderseits am Ufer des Flusses. Meine größte Rutte fing ich bei Haiming an der alten Fähre mit einer Länge von 63 cm und 4 Pfund 430 Gramm Gewicht. Ein Indiz, dass sich der Süßwasserdorsch in unseren heimischen Gewässern wohl fühlt. Jahreszeitlich gesehen sind die Rutten am hungrigsten, wenn das letzte Laub von den Bäumen gefallen ist. Dann sind sie so gierig, dass sie fast alles verschlingen, was ihnen vors Maul kommt. Beim Ausnehmen der Fische konnte ich schon mit Blattfragmenten gefüllte Mägen vorfinden, in einem Fall hatte eine Rutte sogar ein kurzes, morsches Aststückchen verschlungen. Die sehr wohlschmeckenden Fische beißen um diese Zeit so kräftig, dass sie sich an der Grundangel meist selbst haken. Allerdings gehen sie nur zu nächtlicher Zeit auf Nahrungssuche. Nur bei sehr schmutzigem Hochwasser, wenn ihnen auch bei Tag die Nacht vorgetäuscht wird, kann man sie im Kehrwasser der Flüsse an den Haken bekommen.
Günter Geiß