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Sumpfschildkröten, heimliche Bewohner unserer Wasserlandschaften

Die äußerst scheuen Reptilien ziehen sich sofort ins Wasser zurück, wenn sie gestört werden.

Linne ordnete die Europäische Sumpfschildkröte 1758 unter dem Namen Emys orbicularis in die Nomenklatur ein. Das Verbreitungsgebiet der Europäischen Sumpfschilkröte erstreckt sich von Südfrankreich über Polen bis zum Aralsee unter Ausschluss des Nordens. In Österreich gibt es noch äußerst spärliche, sich selbst fortpflanzende autochtone Bestände in den Donauauen östlich von Wien. Die Nominatform, die pontische Schildkröte Emys orbicularis orbicularis wurde im 19. Jahrhundert in ihrem Bestand in Deutschland durch die fortschreitende Industrialisierung und Kultivierung in ihrem Bestand stark zurückgedrängt, könnte aber in einzelnen Exemplaren im Bodenseegebiet überlebt haben. Je nach Herkunft gibt es zahlreiche Unterarten, die in Form, Größe und Färbung stark variieren können. Die Grundfarbe des Rückenpanzers von Emys o. variiert von Braun bis Schwarzgrün und wird von gelben Punkten oder Sprenkeln unterbrochen, die bei den südlichen Tieren sternförmig nach hinten verlaufen können. Auch schwarze Exemplare kommen gelegentlich vor. Die Länge des Rückenpanzers beträgt meist 20 bis 30 cm und ist bei weiblichen Tieren relativ hoch gewölbt. Bei Erwachsenen ist der Rückenpanzer im Umriss fast elyptisch, vorne etwas schmaler und nach hinten etwas breiter, bei Jungtieren kreisrund. Vorder- und Hinterteil des Bauchpanzers sind abgerundet und beide Hälften sind bei erwachsenen Tieren durch knorpeliges, elastisches Gewebe miteinander verbunden und etwas gegeneinander beweglich. Der helle Bauchpanzer kann einheitlich gelb oder orange, aber auch unregelmäßig dunkelbraun bis schwarz gefleckt sein. Bei den Männchen ist der Bauchpanzer leicht nach innen gewölbt, damit das Aufreiten während der Paarung erleichtert wird. Die gelben Flecken auf der Oberseite des Kopfes zeichnen sich bei den Weibchen deutlicher ab. Hals und Gliedmaßen sind dunkelbraun bis dunkeloliv gefärbt mit gelben Flecken. Hinter dem Kopf befindet sich eine taschenartige Hautfalte, in die dieser zurückgezogen werden kann. Besonders an Kopf und Hals zeigen die Gliedmaßen ein Muster von gelben Tüpfelchen. Die Grundfarbe ist sehr unterschiedlich. Sumpfschildkröten, die in nördlicheren Gegenden leben, sind in der Regel kleiner und dunkler als die im Süden.

Die Weibchen werden größer als die Männchen. Je nach Unterart und Geschlecht erreichen die Tiere ein Gewicht von 400 bis 700 g, ausnahmsweise 1500 g. Die Gliedmaßen und der Schwanz sind mit Schuppen bedeckt, die Haut von Kopf und Hals ist glatt. In der Aufsicht zeigt der Kopf ein spitzwinkliges Vorderende, die Kiefer sind unbezähnt, haben aber scharfe Hornschneiden. Die runden Pupillen der Augen zeigen bei adulten Männchen besonders bei der Nominatform eine rötliche Iris, sonst meist orangefarben. Die Iris der Weibchen ist gelb mit einer kreuzförmigen Zeichnung. Zwischen den 5 Zehen der Vorderpfoten und den 4 Zehen der hinteren befinden sich Schwimmhäute. Auch sind die Füße mit stark ausgeprägten Krallen bewehrt. Die Tiere haben einen langen Schwanz und bei Schlüpflingen erreicht dieser die Länge des Panzers. Der Schwanz der Männchen ist länger und dicker als bei den Weibchen. Die Kloake des Männchens befindet sich außerhalb des Panzerrandes. Die Tiere besitzen eine Analblase, eine Erweiterung der Kloake, die mit Wasser gefüllt oder entleert werden kann. Mit ihrer Hilfe kann das Körpergewicht eingestellt werden, so dass die Tiere frei in jeder Höhe im Wasser schwimmen können.

Die Europäische Sumpfschildkröte, die ein Alter von 60 bis 80 Jahren erreichen kann, bevorzugt als Lebensraum stille und langsam fließende Gewässer, Uferbereiche von Teichen mit dichtem Bewuchs und schlammigem Grund, Altwasserarme, aber auch steinige Bäche. Wichtig sind auch flache, stille Zonen, die durch die Sonne erwärmt werden können. Die Tiere sonnen sich gerne auf Steinen und Baumstümpfen und auf aus dem Wasser ragende Äste und Wurzeln versunkener Bäume. Sie sind äußerst scheu und tauchen sofort ins Wasser ab, wenn sie sich gestört fühlen und verstecken sich im Bodenschlamm oder im Kraut. Während der heißen Jahreszeit verbleiben die Tiere im schattigen Wasser und werden erst in den Dämmerstunden aktiv.

Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Krebstierchen, Würmern, Amphibien und deren Larven, Insekten, Schnecken und anderen Wirbellosen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil besteht aber auch aus pflanzlicher Kost. Die Jungtiere sind fleischfressend, die älteren Allesfresser und aktive Jäger, die ihr Futter ausschließlich unter Wasser verschlingen, da sie nur unter Wasser schlucken können. Dabei stoßen sie ruckartig den Kopf nach vorne, wobei die Nahrung durch den eintretenden Wasserschwall in den Hals gespült wird. Auch kleine Fische, meist kranke, stehen auf dem Speiseplan. Größere Brocken werden mit den Klauen der Vorderbeine in Stücke zerrissen, aber auch im Ganzen verschlungen.

Je nach geografischer Lage variiert der Eintritt der Geschlechtsreife der Europäischen Sumpfschildkröte stark und liegt im Durchschnitt bei 8 bis 10 Jahren. Die Paarungsaktivitäten beginnen im zeitigen Frühjahr, oft im Februar oder März nach der Winterstarre. Die Paarungszeit fällt in den Mai, die Ablage der Eier in den Juni oder Anfang Juli. Die Paarung der Männchen kann sich sehr heftig abspielen. Sie treiben die Weibchen ins Wasser und klammern sich nach dem Aufsitzen am Rückenpanzer fest. Durch Kopfbewegungen bringen sie die Weibchen dazu, ihren Kopf einzuziehen. Dadurch ragt die Kloake weiter aus dem Panzer und der Penis kann eingeführt werden. Die Weibchen wandern jedes Jahr zu denselben Ablageplätzen, an denen sie selbst geschlüpft sind. Bevorzugt werden trockene, sandige Hügel und Böschungen mit schwachem Bewuchs, die der Sonnenwärme ausgesetzt sind. Die Weibchen graben mit den Hinterbeinen eine etwa 10 cm tiefe Nesthöhle mit enger Öffnung, die sich birnenförmig erweitert. Die Eiablage erfolgt Nachmittag oder in den Abendstunden sehr warmer Tage. Nach der Ablage wird die Öffnung der Erdgrube sorgfältig verschlossen und der Boden befestigt. Durchschnittlich setzt das Weibchen 9 bis 15 walzenförmige, etwa 20 bis 25 mm lange und 6 bis 10 g schwere Eier ab. Die Sonne übernimmt das Brutgeschäft. Die Jungtiere schlüpfen unter günstigen Bedingungen im frühen Herbst nach einer etwa dreimonatigen Reifezeit mit einer Panzerlänge von 2 bis 3 cm und einem Gewicht von 4 bis 6 g. Mit einem Eizahn auf der Schnauzenspitze ritzen sie die Schale an, wobei sie zunächst Nase und ein Vorderbein aus der Schale strecken und dann den Rest wegschieben, was mehrere Stunden dauern kann. Ihr Rückenpanzer ist einheitlich grau gefärbt, nur auf den Randschilden stehen gelbe Flecken. Die Schlüpflinge bleiben noch den ganzen Winter unter der Erde. Nach dem Frühjahrsregen wühlen sie sich durch den aufgeweichten Boden und suchen das nächstliegende flache Gewässer auf, wo sie in der schützenden Unterwasservegetation verschwinden. Bei Temperaturen unter 28 Grad schlüpfen meist männliche Jungtiere, bei Temperaturen über 29,5 Grad überwiegend weibliche. In nördlichen Randregionen des Verbreitungsgebietes treten dennoch genügend Weibchen auf. Je nach klimatischen Verhältnissen dauert die Winterruhe unterschiedlich lang, meist ab Oktober bis März oder April. Die Sumpfschildkröten überwintern im Bodenschlamm der Gewässer. Auch unter einer Eisdecke können sie ihren Sauerstoffbedarf mithilfe der Hautatmung allein aus dem Wasser decken.

Bei den in unserer Region in den Wasserwelten zwischen Inn und Salzach gesichteten Sumpfschildkröten handelt es sich wahrscheinlich um Unterarten, die von Terrarianern „entsorgt“ worden sind. Ich selbst konnte einige Jahre lang in einem sumpfigen Abschnitt der Deindorfer Lacke eine Sumpfschildkröte  beim Sonnen auf einem ins Wasser ragenden alten Baumstamm beobachten. Auch konnte ich vom Damm aus vor Jahren an der Dreieckslacke am Innspitz eine Sumpfschildkröte an der Wasseroberfläche schwimmen sehen. Anglerkollegen berichteten mir, dass sie schon des Öfteren an der Hangseite der Gunschlacke zwei Exemplare beim Sonnen beobachten konnten. In der Alz, etwa 2 km unterhalb Emmerting, wurde eine Schildkröte beim Sonnen auf den Steinbauten beobachtet und eine weitere nahe Emmerting. Ausgewilderte Unterarten aus einer anderen Region mit einem geringfügig anderem zeitlichen Lege- und Schlüpfverhalten, können einheimische Restpopulationen genetisch gefährden.

Die Europäische Sumpfschildkröte ist durch die FFH- Richtlinie geschützt und in Deutschland unterliegt sie einem Besitz- und Vermarktungsverbot

Günter Geiß