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Braunbrustigel, Stachelritter aus der Eiszeit

Die Dämmerungs- und Nachtaktiven Kleinohrigel sind Einzelgänger und verbringen den Tag in einem Nest

Linne ordnete den Braunbrustigel 1758 mit dem Lateinischen Namen Eriaceus europaeus  in die wissenschaftliche Nomenklatur ein. Die Gattung Igel lebt in mehreren Unterarten in Europa, Asien und Afrika. Es gab sie bereits vor der Eiszeit und sie haben sich wahrscheinlich während dieser in zwei getrennten Rückzugsgebieten zu verschiedenen Arten entwickelt. Braunbrustigel haben nach der Eiszeit weite Teile des gemäßigten Europas sowie Mittelrußland besiedelt, wo sie sich schon mal mit dem Weißbrustigel überschneiden. In unserer Region ist der Europäische Braunbrustigel Eriaceus europaeus beheimatet.

Der kleinohrige Igel hat eine Länge von fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter, wobei sein Körpergewicht in Abhängigkeit des Lebensalters und der Fettreserven für den Winter stark schwankt. Igel können bis zu zehn Jahre alt werden. Ein gut gefütterter alter Igel kann tausendneunhundert Gramm schwer werden und bis zu sechzehntausend Stacheln tragen, während ein sechshundert Gramm schweres Tier etwa fünftausend Stacheln besitzt. Diese modifizierten Haare sind etwa zwanzig bis dreißig Millimeter lang, ein bis zwei Millimeter dick und haben eine Lebensdauer von zwölf bis achtzehn Monaten. Die Stacheln sind an der Wurzel und an der Spitze weiß und dazwischen bräunlich-schwarz gebändert. Manche Igelfreunde unterscheiden zwischen zwei Sorten, den Hundsigel mit stumpfer Schnauze und steiler Stirn und den Schweinsigel mit spitzer Schnauze und flacher Stirn. Tatsächlich handelt es sich um die eine Art Eriaceus europaeus. Ein erschreckter Igel, der den Kopf etwas zurückzieht und die Stacheln nach vorne aufstellt, erscheint als stumpfschnauziger Hundsigel. Ein Igel aber, der die Stacheln nach hinten umgelegt hat und die Nase witternd vorstreckt, sieht spitzschnäuzig aus und wird zum Schweinsigel.

Das Einrollen des Körpers ist ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher Muskeln. Unter der Rückenhaut liegt ein ovaler, dicker Muskelstrang, der beim Zusammenziehen eine gewölbte Kappe bildet und Füße und Kopf mit einschließt, wobei sich die Stacheln aufrichten. Igel sind Sohlengänger und setzen die gesamte Fläche beim Gehen auf. Ihre Beine haben fünf mit Krallen versehene Zehen. Die Hinterbeine sind länger als die vorderen. Ihre Schnauze ist etwa zwei Zentimeter lang und die Ohren so kurz, dass sie angelegt unter den Stacheln verschwinden. Die Bauchseite ist fast immer mit einem dunkleren Brustfleck versehen und ist wie auch das Gesicht mit einem graubraunen Fell bedeckt. Die Augen sind rund und klein und sein Gesichtsfeld schlecht entwickelt. Beide Geschlechter weisen jeweils fünf Zitzen je Körperseite auf. Die knopfförmige Penisöffnung der Männchen liegt in der Mitte der hinteren Körperhälfte, wobei die Hoden äußerlich nicht zu erkennen sind. Die Geschlechtsöffnung der Weibchen liegt etwa zwei Zentimeter vor dem After. Die Tiere haben eine bewegliche lange Schnauze und die Schneidezähne des Oberkiefers stehen weit auseinander, so dass die des Unterkiefers dazwischen passen.

Die Braunbrustigel  bevorzugen lichte Waldränder und Kulturlandschaften und siedeln sich auch in der Nähe menschlicher Behausungen an wie an Bauernhöfen, in Hausgärten und überall dort, wo sie genügend Nahrung finden. Sie werden manchmal so zahm, dass sie zu bestimmten Zeiten aufgestellte Futternäpfe besuchen. Für die Sommerzeit bauen sie sich einen trockenen Unterschlupf in dichten Hecken, Reisighaufen und unter Scheunenböden. Sie tragen Moos, Laub und Heu zusammen und polstern damit ihr Tagesversteck aus. Vom Nest aus kann sich ihr Jagdgebiet zweihundert bis dreihundert Meter nach allen Seiten erstrecken. Igel sind sehr ortstreu und halten bestimmte Wechsel ein. Sie richten sich nach einer inneren Uhr, verschlafen den Tag in ihrem Versteck und streifen abends zwei bis drei Stunden umher und dann nochmal kurz nach Mitternacht. Auch am frühen Morgen sind sie noch etwa eine Stunde unterwegs und schnüffeln fortwährend in der Luft und stöbern mit feuchter Nase im Moos und verrottetem Laub.

Der Igel ist ein Allesfresser und ernährt sich von Insekten, Regenwürmern, Spinnen, Raupen von Schmetterlingen, nestjungen Mäusen von Eiern bodenbrütender Vögel. Auch Frösche und Echsen verschmäht er nicht. Zu seinem Nahrungsspektrum zählen auch Hummeln, Bienen und Wespen. Er hat bei einem Stich keinerlei Beschwerden und er verträgt auch hohe Mengen an Schlangengift. Tote Beutetiere beschnüffelt er gründlich, schnell bewegliche packt er sofort mit den kraftvollen Zähnen. Lebende Eidechsen und Mäuse werden  oft totgeschüttelt. Größere Säugetiere hält er mit den Vorderfüßen fest und beißt mit seinem kräftigen Gebiss Teile davon ab. Gelegentlich verzehrt er Pilze, Eicheln, Bucheckern, Beeren und Fallobst. Schnecken gehören nicht zu seiner bevorzugten Nahrung. Igel, die den Menschen kennen sind weniger scheu und fressen aus der Hand. Er nimmt gerne Fleisch, Fisch, Fertigfutter für Hunde und Katzen und er trinkt Wasser und verdünnte Milch. Igel lernen auf Zuruf und Pfeifen zu folgen. Auch kann man sie hochnehmen, wenn man sie vorsichtig am Bauch krault. Bei ruckartigen Bewegungen oder Husten erschrecken sie und rollen sich augenblicklich zusammen. Ihr Geruchs- und Gehörsinn sind gut entwickelt. Ihr Verhalten wird nicht nur durch angeborene Instinkte bestimmt, sondern auch durch persönliche Erfahrung. Der Igel ist ein Einzelgänger und meidet außerhalb der Paarungszeit Kontakt zu anderen Artgenossen. Wird ein Igel vom Menschen unsanft überrascht, rollt er sich fauchend zusammen. Im Tagesschlaf liegt er in seinem Nest meist halb eingerollt auf der Seite und auf warmer Unterlage streckt er sich auch platt auf dem Boden aus.

Seine Körpermuskeln sind sehr verschiebbar, so dass er sich durch enge Spalten zwängen kann. Er geht langsam mit etwas eingeknickten Beinen, wobei der Bauch fast den Boden berührt. Wenn er hochbeinig trippelt, vermag er auch schnell zu laufen. Igel hört man auch oft husten oder nießen. In Wut oder Angst keckert er laut und in sehr starker Bedrängnis schreit er gellend. Kommt er mit intensiv riechenden Substanzen wie Farbanstrichen in Berührung, produziert er durch kauende Bewegungen große Mengen eines schaumigen Speichels, den er dann unter Verrenkungen auf alle zu erreichenden Körperteile spuckt. Durch diese Selbstbespeichelung versucht er, den fremden Geruch zu übertönen. Braunbrustigel sind sehr oft von Parasiten wie Lungen- und Haarwürmern befallen und sind Träger des Igelflohs, Zecken und anderen Milben. 

Die Brunstzeit der Braunbrustigel beginnt, wenn die Tiere aus dem Winterschlaf erwachen und dauert bis Juli/August. Beim Paarungsspiel flieht das Weibchen zunächst vor dem Männchen. Dieses schleicht sich aber immer wieder von hinten an und wird vom Weibchen weggeboxt. Dieses Liebesspiel wird stundenlang fortgesetzt. Sie umkreisen sich und werden dabei immer stärker erregt. Stört ein Artgenosse, wird dieser vom Männchen schnaufend und boxend in die Flucht geschlagen. Anschließend umkreist es wieder seine Angebetete. Dieses Liebesspiel ist nötig, um das Weibchen paarungsbereit zu machen. Bei der Begattung legt das Weibchen die Stacheln glatt an, drückt sich auf den Boden, die Hinterbeine nach hinten gestreckt und das Beckenende angehoben. Das Männchen besteigt es von hinten, stützt sich mit den Vorderpfoten auf das Weibchen und vollzieht die Begattung. Diese dauert nur wenige Sekunden und kann sich mehrmals wiederholen, dabei geben sie Geräusche von sich, die an ein Schnarchen erinnern. In der Scheide des Weibchens setzt das Männchen einen aus Drüsenausscheidungen gebildeten Begattungspfropf ab, der später ausgestoßen wird. Nach der Begattung verlässt das Männchen die Igelin und sucht oftmals nach weiteren Partnerinnen. Nach einer Tragzeit von fünf bis sechs Wochen gebären die Igel zwischen Mai und September in einem mit Pflanzenmaterial ausgepolstertem Nest etwa fünf bis sieben Junge. Manche Igeln bekommen zweimal im gleichen Sommer Nachwuchs. Beim Gebären liegt das Weibchen meist auf der Seite und presst das Junge mit dem Mutterkuchen aus, verzehrt die Nachgeburt und beleckt das Kleine. Anschließend folgen mit dem Kopf voraus die nächsten Kinder. Ist das letzte geboren, nimmt die Mutter die Kleinen einzeln mit dem Mund und legt sie an ihre Zitzen, wo sie gleich zu trinken beginnen. Die zwölf bis fünfundzwanzig Gramm schweren Jungen sind etwa sechs bis neun Zentimeter lang. Die Augen und die Ohren sind noch geschlossen. Sie sind auf der Unterseite rosa, auf dem Rücken grau und völlig haarlos. Aus ihrer Haut ragen etwa drei Millimeter lange weiße Jugendstacheln heraus, die bei der Geburt in das Hautpolster zurück gedrängt waren. Innerhalb eines Tages verliert die Haut das meiste Wasser und wird faltig, so dass die Stacheln jetzt etwa sechs Millimeter hervorragen. In der dritten Lebenswoche öffnen sie die Augen und Ohren und sind dann voll behaart und bestachelt.  Mit aufgeregtem Piepsen drängen sich die Kleinen um die Zitzen der Mutter. Nach der Säugezeit wiegen die Jungen etwa zweihundert bis zweihundertfünfzig Gramm. Gegen Ende der dritten Woche verlassen sie gelegentlich das Nest. Später folgen sie der Mutter und beginnen mit ihr Nahrung zu suchen. Sind die Jungen selbstständig, vertreibt sie die Mutter aus der gemeinsamen Wohnung. Die jungen Igel werden etwa im neunten Monat geschlechtsreif.

Unter den Insektenfressern sind die Igeln die einzigen echten Winterschläfer und haben sich Fettreserven angefressen. Um zu überleben müssen die Tiere mindestens fünfhundert Gramm Körpergewicht aufweisen.  Für die Winterschlafbereitschaft wirken mehrere Veränderungen im Tierkörper und in der Außenwelt zusammen. Schüttet die Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin aus, verringert sich die Menge des Blutzuckers und es wird mehr Glykogen in Leber und Muskeln als Energievorrat gespeichert. Der Igel ist jetzt zum Winterschlaf bereit und trägt Nestmaterial zusammen um eine seiner Sommerwohnungen auszupolstern, die er dann bei herbstlichen Temperaturen von acht bis zehn Grad bezieht. Sinkt die Nestwärme in seiner Umgebung unter fünfzehn Grad, kugelt er sich zusammen und verlangsamt alle Lebensvorgänge. Er atmet nur noch fünf  bis acht Mal in der Minute und sein Herz schlag verringert sich auf achtzehn bis zweiundzwanzig Schläge. Das Blut ändert seine Zusammensetzung und es wird mehr Heparin gebildet, damit durch die langsame Zirkulation kein Blutgerinnsel entsteht. Da er keine Stoffwechselwärme erzeugt, kühlt er bis fast auf Umgebungstemperatur ab und sein Herzschlag verlangsamt sich noch mehr. Kühlt die Nesttemperatur unter sechs Grad ab, steigert er seinen Stoffwechsel, um die Körpertemperatur auf etwa fünf Grad zu halten. Somit kann er nicht erfrieren. Bei sehr starker Kälte steigert er manchmal seinen Stoffwechsel, um den Puls noch mehr zu erhöhen. Der Winterschlaf wird ab etwa fünfzehn Grad Außentemperatur beendet wobei das Weckhormon Adrenalin eine wichtige Rolle spielt. Die gespeicherte Stärke wird wieder zu Zucker abgebaut und liefert die nötige Energie.

In der Roten Liste der JUCN wird der Braunbrustigel als gering gefährdet eingestuft.

Günter Geiß