Eichhörnchen
Das Eichhörnchen, ein Kulturfolger mit koboldhafter Gestalt
Das Eichhörnchen, auch Eichkatzerl genannt, ist ein Nagetier aus der Familie der Hörnchen und war im Altertum als „Spieltier“ bei Kindern sehr beliebt.
Linne ordnete 1758 das Eichhörnchen mit dem lateinischen Namen Sciurus vulgaris in die Wissenschaftliche Nomenklatur ein. „Säugethiergattung aus der Familie der Nagethiere, charakterisirt durch die ziemlich langen Ohren und den buschigen zweiteilig behaarten Schwanz und die mit einem Nagel bewaffnete Daumwarze der Vorderfüße. Es frisst alle Arten von Körnern und Nüssen, auch stellen sie den Eiern und Jungen kleiner Singvögel nach. Selbst nicht zu tief liegende Trüffel scharren sie aus.“ So nachzulesen in Meyer`s Lexikon von 1871.
In Mitteleuropa ist nur eine einzige Art, das Eurasische Eichhörnchen, beheimatet. Sein Verbreitungsgebiet reicht ostwärts bis zur Pazifikküste.
Die Eichhörnchen, die im Süden etwas größer sind als im Norden, wiegen etwa 250 bis 480 g und haben auffällige Haarbüschel an den Ohrspitzen. Ihr Schnauzenrücken ist leicht gebogen, die Stirn flach und die Hinterbeine sind wesentlich länger und kräftiger als die Vorderbeine. Beim Sitzen legen sie ihren buschigen, zweiteilig behaarten Schwanz auf den Rücken. Jungtieren fehlen in der ersten Zeit die Ohrpinsel und die Schwanzfahne. Eichkätzchen haben eine Körperlänge von 20 bis 25 cm und ihr Schwanz misst 16 bis 20 cm. Die bis zu 10 cm langen Schwanzhaare sind nach beiden Seiten gescheitelt. Ihr Daumen ist rückgebildet und die übrigen 4 Finger sind lang und mit gekrümmten scharfen, zusammengedrückten Krallen als Griffzehen entwickelt. Gut entwickelt sind auch die Hinterfüße, die sich mit ihren scharfen Krallen vorzüglich zum Klettern eignen. Die Färbung der Eichhörnchen ist oberseits fuchsrot bis dunkel schwarzbraun und weist oft an den Seiten eine gelbliche Zone auf, wobei die Bauchseite abgegrenzt weiß erscheint. Die Rotfärbung der Eichhörnchen ist im Winterpelz besonders am Kopf und an den Seiten mit Grau durchmischt. Bei unserer deutschen Unterart Sciurus vulgaris fuscoator ist im Norden die rote und im Gebirge die schwarze Färbung vorherrschend. Treten beide Farbkleider nebeneinander auf, nimmt die Zahl der dunklen Tiere mit der Höhe zu. Die Eichhörnchen machen innerhalb eines Jahres einen zweimaligen Haarwechsel durch, wobei die langen Ohrpinsel nur im Winter gut entwickelt sind. Am Kopf beginnend breitet sich der Frühlingshaarwechsel über Nacken, Rücken und die Hinterschenkel aus. Nur einmal im Jahr wechseln Schwanzhaare und Ohrpinseln. Die Weibchen haaren schneller als die Männchen und haben diesen Vorgang bis zur Geburt der Jungen beendet. Die Hand- und die Fußsohlen sind im Winterpelz behaart. Auch besitzen die Eichhörnchen kleine Sinneshaare, welche zur besseren Orientierung zwischen den Ästen beitragen.
Auf der Erde bewegt sich das Eichhörnchen hüpfend mit graziös wirkenden Sprüngen, wobei es aber längere Ausflüge meidet. Bei leichtem Schneefall kann man an den Hüpfspuren feststellen, dass es seine Hinterfüße vor die Vorderfüße setzt. Der buschige Schwanz dient während des Laufens und Kletterns im Geäst als Balancierstange und bei den Sprüngen als Steuer und Fallschirm, aber auch zur Erhaltung des Gleichgewichtes. Er dient beim Schlafen als Wärmeschutz und während der Balz als optisches Signal. An den dünnen Wipfelzweigen ist ein kraftvoller Absprung mit den Hinterbeinen zu entfernten Nachbarwipfeln nicht möglich. Es verliert an Höhe und landet wesentlich tiefer in den angepeilten Baumkronen. Stammabwärts klettert das Eichhörnchen mit dem Kopf nach unten, wobei es sich mit den Krallen der rückwärts gestreckten Hinterbeine in die Rinde hakt. Fühlt sich das Eichhörnchen vom Menschen verfolgt, so klettert es auf der dem Zuschauer abgewandten Seite. Unter den Sinnesorganen spielt das Auge eine bevorzugte Rolle. Es sieht scharf, hat ein weites Blickfeld und kann sich gut auf bestimmte Objekte in der Ferne einstellen. Greifvögeln versucht es zu entkommen, indem es spiralig um den Stamm hastet und sich in die höchsten Baumwipfel flüchtet, um von dort auf den Boden zu springen. Die Nacht verbringen die Eichhörnchen schlafend im Nest, wo sie auch regelmäßig Mittagsschlaf halten.
Die Nahrung des Eichhörnchens besteht aus Nüssen, Knospen, Beeren, Früchten und Blüten und es bevorzugt die Samen der Nadelhölzer. Der Boden ist dann förmlich bedeckt mit den Überresten der Mahlzeit, mit abgebissenen Deckschuppen und kleinen Spindeln sowie abgefallenen Zapfen. Schon aus einiger Entfernung hört man das unverkennbare Knuspergeräusch, wobei das Eichhörnchen still auf einem Platz sitzt und die erreichbaren Zapfen mit den Händen heranzieht. Mit wenigen Bissen trennt es diese von den Zweigen und beginnt am stumpfen Ende die holzigen dicken Schuppen abzureißen. Mit den beiden verkümmerten Daumen werden die frei gelegten Samen ergriffen und stückweise abgeleckt. Eine besondere Vorliebe zeigt das Eichhörnchen für Haselnüsse und Walnüsse, die sie mit den Händen ergreift und beide Nagezähne des Oberkiefers an einer Stelle der Schale als Widerlager ansetzt. Ist das Loch, das sie mit den beiden unteren Zähnen nagt, groß genug, wird es aufgesprengt. Sie sitzen dabei in Mönchsstellung, wobei der Schwanz an den Rücken angelegt wird. Da ihre Nagezähne zeitlebens wachsen, müssen sie diese an harter Nahrung abwetzen. Des Weiteren stehen auf ihrer Speisekarte Pilze, die Rinde und der Saft von Birken, Eichen und Ahorn. Gleichfalls wird tierische Nahrung nicht verschmäht wie Schnecken, Ameisenpuppen, Insekten und deren Larven. Auch Vogeleier und Jungvögel gehören zum Speiseplan. Für den Winter legen die Eichhörnchen Vorräte an. Sie verstecken Nüsse, Sämereien und Zapfen mit Vorliebe am Fuß von Bäumen, in Baumhöhlen und auch in alten Vogelnestern. Auch drücken sie mit der Schnauze Haselnüsse in den Boden, überdecken sie mit Erdreich und drücken dieses mit ihren Pfoten fest. Viele der Vorräte finden sie bei der winterlichen Nahrungssuche wieder und graben sie aus dem Schnee aus. Ein Teil der versteckten Sämereien wird vergessen und bleibt in der Erde liegen. Somit ist das Eichhörnchen an der Verbreitung mehrerer Strauch- und Baumarten wesentlich beteiligt. In trockenen Jahren bleibt es in der Nähe von Wasservorkommen im Wald und im Winter stillt es seinen Durst mit Schnee.
In Parkanlagen und hochstämmigen Wäldern bauen die Eichhörnchen ihre runden, überdachten Nester. Die Kobeln, wie ihre Nester auch genannt werden, bauen sie in Astgabeln in 5 bis 15 m Höhe aus Reisig und Moos. Sie können bis 50 cm breit und 30 cm hoch sein. Der Haupteingang führt seitlich abwärts, ein kleines Fluchtloch gegen den Stamm. Sie haben noch weitere Nester, die als Schlafkobel oder Verstecke dienen. Im massiver gebauten Hauptnest, das mit Gras, Flechten, Bast, Federn, Moos oder Wolle gepolstert ist, werden die Jungen groß gezogen.
Die Brunst der Eichhörnchen beginnt im Frühling und dauert in den Sommer hinein, wobei die Männchen in die Reviere der Weibchen eindringen und von diesen zunächst angegriffen werden. Das Männchen versucht durch sein Imponiergehabe das Weibchen einzuschüchtern und drückt durch Lautäußerungen seine Kontaktbereitschaft aus. Es bietet dem Weibchen seine Breitseite zur Ansicht, wedelt einige Male mit seinem Schwanz und legt diesen dann mit einer betont langsamen Geste auf seinen Rücken. Ist das Weibchen paarungsbereit, signalisiert es dies durch Hochheben seines Schwanzes, wobei es kleine Mengen Harn abgibt. Nach stundenlangem Werben kommt es zur Paarung. Das Männchen umklammert von hinten aufreitend die Lenden des Weibchens, welches den Schwanz anhebt und den Rücken durchdrückt. Das Männchen führt daraufhin seinen am Rande verdickten, schaufelähnlichen Penis in die während der Brunst stark verhornte Scheide des Weibchens ein.
Während der etwa 38 Tage dauernden Brutzeit zeigen sich die Weibchen den Männchen gegenüber wieder unverträglich und vertreiben sie aus dem Revier. Das Geburtsgewicht der etwa 5 nackten und blinden Jungen liegt bei 8 bis 12 g. Nach 10 bis 12 Tagen bekommen sie ihren ersten Haarflaum und sind nach 19 Tagen schon dicht behaart. Mit 3 Wochen beginnen sich die Ohren vom Körper zu lösen und mit 30 bis 32 Tagen öffnen sie die Augen. Anschließend brechen die Nagezähne durch. Nach etwa 6 Wochen trägt die Mutter ihre Kleinen in ein anderes Nest, welches sie kurze Zeit später zum ersten Mal verlassen. Auch nehmen sie jetzt feste Nahrung zu sich. Bis dahin werden sie von der Mutter gesäugt und betreut. Nach dem Abstillen kann das Weibchen wieder trächtig werden. Wenn die Mutter mit ihren Jungen durch die Baumkronen klettert, hält sie ihre Kinder mit einem leisen „duck, duck, duck“ zusammen. Die selbstständig gewordenen Jungen bleiben noch monatelang in der Nähe ihrer Mutter. Eichhörnchen werden nach 8 bis 10 Monaten geschlechtsreif und erreichen ein Lebensalter von 11 bis 12 Jahren. Ihr Erhaltungszustand ist ungefährdet.
Günter Geiß