Der Maulwurf, ein spitzmausartiger Einzelgänger
Mit seinen schaufelförmigen Grabwerkzeugen kann sich der Maulwurf bis 7 m in der Stunde durch das Erdreich wühlen.
„Säugethiergattung aus der Ordnung der Insekten fressenden Raubthiere, ist charakterisiert durch den gedrungenen walzigen Körper der ohne abgesetzten Hals in den Kopf übergeht und den knorpeligen, zugespitzten, beweglichen Rüssel. Er gibt zischende und quiekende Laute von sich, ist höchst unverträglich, bissig, gefräßig und mordlustig und verschont selbst Seinesgleichen nicht.“ So nachzulesen in Meyers Lexikon von 1871.
Der Maulwurf, den Linne 1758 mit dem lateinischen Namen Talpa europaea in die wissenschaftliche Nomenklatur aufnahm, lebt in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas bis Sibirien. Der Name Maulwurf kommt aus dem Hochdeutschen Wort „Moltewurf“, wobei Molte Erde bedeutet. Der Körperbau des 70 bis 120 g schweren Maulwurfs ist gut an die unterirdische Lebensweise angepasst. Das 2 cm hohe Tier hat eine Kopf-Rumpf-Länge von etwa 10 bis 17 cm und einen langen beweglichen Schwanz. Dieser ist nur spärlich behaart und mit Tastsinneszellen ausgestattet, mit denen er auch elektrische Reize wahrnehmen kann, die bei der Bewegung seiner Beutetiere entstehen. Als Tastsinnesorgane dienen auch Haare im Gesicht. Sein Rumpf ist walzenförmig und auf seinem kaum sichtbaren Hals sitzt der zugespitzte Kopf mit einer knorpeligen beweglichen Rüsselnase. Die schaufelförmigen Vordergliedmaßen mit 5 Zehen dienen als Grabwerkzeuge, wobei die Handflächen nach außen gedreht sind. Ein zusätzlicher sichelförmiger Knochen an der Vorderhand hilft beim Graben. Die kurzen Arme des Maulwurfs sind weit vor dem Brustkorb neben dem Kopf angeordnet und das Ellbogengelenk ist in den vorderen Schulterbereich verlagert. Die fleischfarbenen Vorder- und Hinterbeine sind fast unbehaart. Im langgestreckten flachen Schädel sind die kleinen, mit Lidern versehenen Augen im Fell verborgen und dienen, da sein Sehvermögen nur sehr gering ist, zur Unterscheidung von hell und dunkel. Der Maulwurf besitzt keine Ohrmuscheln und die Ohröffnungen sind durch einen Hautrand verschließbar. Der Gehörsinn des Maulwurfs ist nur wenig ausgeprägt. Dafür „hört“ er mit seinen Haaren die kleinsten Erschütterungen und Druckbewegungen, die ins Gehirn weitergeleitet werden. Die Haare des sehr dichten samtartigen Fells sind nach jeder Seite umlegbar. Die Farbe der Wollhaare ist meist grau, kann aber auch von weiß bis schwarz variieren. Bei den Männchen liegen die Hoden in einer hodensack-ähnlichen Hautfalte. Die mit spitzen Höckern und scharfen Schmelzleisten versehenen Zähne sind gut an ihre fleischliche Ernährungsweise angepasst. Mit seinen 5 starken stumpfschneidigen Krallen kann er das 20-fache seines eigenen Gewichtes bewegen. Um sich an die sauerstoffarme Luft im Gangsystem anzupassen, ist der Hämoglobinanteil im Blut deutlich höher als bei Säugetieren gleicher Größe.
Für seine unterirdische Tätigkeit bevorzugt der Maulwurf einen nicht zu trockenen lockeren, fruchtbaren, gut durchwachsenen Boden in Wiesen, Auen und auch im Kulturland. Einen Großteil seines Lebens verbringt er in selbst gegrabenen unterirdischen Gangsystemen, die er knapp unter der Erdoberfläche anlegt. Beim Graben bohrt er sich in den Boden, wobei er den Kopf anzieht und mit den Grabkrallen die Erde aufreißt und nach hinten schaufelt. Wie ein drehender Bohrer schiebt sich der runde Körper durch den Boden, wobei er die gelockerte Erde an die Seiten drängt und einen Teil davon fest an die Röhrenwand presst. Das übrige ausgegrabene Material schiebt er mit den Hinterbeinen nach hinten und schräg an die Oberfläche, so dass sich die aufgeworfenen Maulwurfshaufen nicht direkt über den Gängen befinden. Möchte sich der Maulwurf in seiner Röhre in die entgegengesetzte Richtung drehen, schlägt er sogar Purzelbäume unter der Erde. Der größte Teil der Maulwurfsgänge liegt in 10 bis 20 cm Tiefe, aber auch bis zu 40 cm tief und im Winter sogar bis etwa 60 cm, um sich im frostfreien Bereich zu bewegen. Je nach Bodenbeschaffenheit können die Tiere bis zu 7 m pro Stunde graben. Die Gänge verlaufen oft kreisförmig und sind untereinander mit der Nestkammer verbunden. Diese liegt tiefer als die Nahrungsgänge und wird mit Gras, Moos und Laubblättern ausgepolstert. Sie dient als Ruheplatz, als Nahrungslager und auch zur Aufzucht der Jungen. In der Nähe befinden sich oft Ausweichnester, die mit dem Hauptnest durch Gänge verbunden sind. Auch führen mehrere Verbindungswege zu den oft stark verzweigten Jagdröhren. Die Tiefe der Nester hängt auch vom Grundwasserspiegel ab. Dringt der Frost weiter in das Erdreich vor, werden die Nester tiefer gelegt, wobei dann auffallend große Maulwurfshügel aufgeworfen werden. Die Aktivität des Tieres ist in 3 Wach- und Schlafphasen aufgeteilt, wobei die Wachphase meist vormittags, nachmittags und gegen Mitternacht mit einer Dauer von je 4 bis 5 Stunden liegt. Während dieser Zeit durchstreift er seine Gänge nach Essbarem mit einer Geschwindigkeit bis zu 4 km pro Stunde. Maulwürfe halten keinen Winterschlaf und verlagern ihre Aktivität während der kalten Jahreszeit in tiefer gelegene frostfreie Bodengänge, wo auch Insekten und Würmer Schutz suchen.
Alle 3 bis 4 Stunden durchläuft der Maulwurf seine Jagdröhren und erbeutet dort Bodentiere, die aus dem Erdreich eingedrungen sind, hauptsächlich Regenwürmer, Maulwurfsgrillen, Engerlinge, Insekten und deren Larven. Aus der Erdoberfläche wandern aber auch Spinnen, Asseln, Tausendfüßler, Lurche, Feldmäuse und Spitzmäuse ein. Auch beim Graben der Tunnels macht er Jagd auf bodenbewohnende Tiere. Er hat eine äußerst sensible Nase und mit seinen empfindlichen Tastorganen kann er in seinen Gängen Beutetiere aufspüren. Seine lebende Nahrung ortet er vor allem durch seinen feinen Erschütterungs- und Tastsinn. Auch Tiere, die sich auf der Erdoberfläche bewegen, spürt er sofort und findet in seinem Tunnelsystem auch die Stelle über der sie sich bewegen. Hier gräbt er sich schnell nach oben und schnüffelt und tastet mit den Schnurrhaaren, um die Beute zu entdecken. Kleine Tiere verzehrt er sofort, große Regenwürmer zieht er zwischen seinen Vorderkrallen hindurch, um auf diese Weise anhaftende Erde abzustreifen und den Darminhalt herauszudrücken. Wehrt sich die Beute, überwältigt er sie und zerteilt sie mit seinen Zähnen und Krallen. Die Tiere stürzen sich auch auf Wühlmäuse und reißen ihnen mit den scharfen Krallen den Körper auf, bohren sich regelrecht in sie hinein und verzehren das Fleisch bis auf das Fell und die Knochen. Unerklärlicherweise laufen sie aber auch manchmal vor einer lebenden Maus laut schreiend davon. Der Maulwurf kommt auch nachts an die Erdoberfläche, wo er Schnecken, Mäuse, Frösche und kleine Vögel jagt. Er hat eine hohe Stoffwechselrate und verdaut sehr schnell. Seine Nahrung umfasst etwa die Hälfte seines Eigengewichtes und er kann ohne Futter kaum 24 Stunden überleben. In seinem bis 200 m langen Tunnelsystem kann er im Laufe eines Jahres bis zu 20 kg Würmer und Insekten fressen. Vor den Wintermonaten lagert der Maulwurf Regenwürmer in seinen Nahrungsspeichern, die er unterirdisch in der Nähe des Nestes anlegt. Dabei beißt er den Regenwürmern die vorderen Körpersegmente ab, so dass sie noch am Leben bleiben, sich aber nicht mehr mit geordneten Bewegungen eingraben können.
Als Einzelgänger meidet der Maulwurf außerhalb der Paarungszeit den Kontakt mit Artgenossen. Um sein Revier abzustecken, markiert er mit Drüsensekret seine Gänge und Nester, die er in einem etwa 2000 Quadratmeter großen Areal anlegt. Während der Paarungszeit erweitert das Männchen sein Revier, um es mit dem der Weibchen der Umgebung zu überlappen. Zur Brunstzeit, die von März bis Mai oder Juni dauert, dringt das Männchen oft in fremde Baue ein. Begegnet es einem anderen Männchen, wird mit lautem Zwitschern um das Paarungsvorrecht gekämpft, wobei nicht selten der Unterlegene vom Sieger verspeist wird. Begegnet der Eindringling einem Weibchen, bekämpfen sie sich zunächst, gehen dann aber gemeinsam jagen, bis das Weibchen eine Brutkammer mit ausgepolstertem Nest anlegt. Die anschließende Paarung kann auf der Erdoberfläche, aber auch unter der Erde erfolgen. Das Weibchen bekommt meist nur einmal im Jahr 4 bis 5 weißliche nackte Junge. Die Neugeborenen werden sorgsam von der Mutter betreut und bei Gefahr rasch in ein anderes Versteck getragen. Die Jungen wachsen sehr schnell, öffnen nach etwa 3 Wochen die Augen und werden 4 bis 6 Wochen gesäugt. Nach etwa 8 Wochen werden sie selbstständig und mit 12 Monaten erwachsen. Die Geschlechtsreife tritt im 2. Lebensjahr ein. Ein Maulwurf kann in freier Natur 3 bis 4 Jahre alt werden.
Günter Geiß