Siebenschläfer, Bilche mit übertriebenem Schlafbedürfnis
Das größte Mitglied der Bilchfamilien schläft im Winter für mindestens sieben Monate und trägt daher seinen Namen zu recht.
„Der Siebenschläfer oder die Rellmaus ist ein nächtliches Thier Süd- und Osteuropas, welches sich in Wäldern aufhält, sich von Nüssen und verschiedenen Samen nährt und einen mehrmonatigen Winterschlaf hält“, so nachzulesen in Meyer´s Lexikon von 1871. Linne ordnete den Bilch 1766 mit dem lateinischen Namen Glis glis in die wissenschaftliche Nomenklatur ein. Den Siebenschläfer findet man in mehreren Unterarten in den Wäldern von fast ganz Europa bis Kleinasien. In unserer Region lebt die Nominatform Glis glis.
Das mausähnliche Tier erinnert im Aussehen an ein Eichhörnchen, ist aber deutlich kleiner. Der Schläfer hat sehr große, schwarze, vorwärts blickende Augen, die vor allem auf reines Dämmerungssehen abgestimmt sind, so dass das nächtliche Zurechtfinden mithilfe der Tastsinne erfolgt. Das etwa siebzig bis hundertsechzig Gramm schwere Tier hat eine Kopf-Rumpf-Länge von dreizehn bis zwanzig Zentimetern und einen etwa elf bis fünfzehn Zentimeter langen buschigen Schwanz. Sein weicher, ziemlich dicker Pelz ist am Rücken grau, der Bauch ist eher hell gefärbt und an der Innenseite der Beine milchweiß bis silberglänzend. Der untere Teil der Schnauze, die Backen und die Kehle bis hinter die Ohren sind weiß. Um seine Augen zieht sich ein dunkelbrauner Ring. Die Ohren sind nur wenig behaart und die Füße besitzen 5 Zehen, seine Hände dagegen nur 4 Finger und eine kurze Daumenwarze.
Der Siebenschläfer lebt in Laubwäldern und großen Gärten und sucht sich Baumlöcher, Vogelhäuschen und fühlt sich auch in Scheunen und unter den Dächern von Gartenhäuschen wohl. Am Marktler Badesee bieten hohe Eichenbäume und der Bahndamm mit reichlich Haselnusssträuchern ideale Lebensbedingungen. So haben die „guten Hausgeister“ auch die Dachzwischenräume am Kiosk neben der Liegewiese entdeckt. Manchmal kann man zwischen den Ritzen der geschrumpften Holzlatten unter dem Dachvorsprung die kleinen Füßchen der Nager erkennen, wenn sie zwischen den Dachschindeln und den Holzlatten herumturnen. Meist schlafen sie aber tagsüber um nachts umso mehr mit viel Lärm in der Küche und in anderen Räumlichkeiten herumzutollen. Nicht selten lösten sie dadurch den Bewegungsmelder aus, so dass die Polizei, Einbrecher vermutend, anrückte.
Die Siebenschläfer haben einen sehr guten Geruchssinn und ein überaus feines Gehör. Das lauschende Tier kippt abwechselnd zwei mal in der Sekunde die Ohrmuscheln vor und zurück, während es völlig ruhig dasitzt. Es besitzt auch 4, mit wenigen Haaren versehene Tasthügel im Gesicht, einen am Kinn und je einen an den Unterarmen.
Der Siebenschläfer ertastet mit seinen bis 6 cm langen Schnurrhaaren seine Umwelt, indem er gleichzeitig mit den Oberlippen wippt, dabei schnuppernd seine Nase bewegt und mit leisem Piepsen Luft einsaugt. Das nachtaktive Tier ist ein sehr gewandter Kletterer und kann bis zu 1 m weit springen. Beim Klettern greifen seine spitzen Krallen in die Baumrinde und es kann sich auch mit seitlichem Sohlendruck anklammern, wobei ihm eine klebrige Ausscheidung der drüsenreichen Sohlenbällchen hilft. In dünnen Zweigen dient sein Schwanz zum Gewichtsausgleich und zur Stabilisierung. In Gegenden wo sie sehr häufig vorkommen ertönen kurz nach der Dämmerung auch die ersten Pfiffe in den Eichenbäumen und Haselnusssträuchern der nun munter werdenden Schläfer. Lange Pfeifreihen, die zum Schluss hin absinken und einem Wimmern gleichen, wechseln mit kurzen Pfeiftrillern ab. Auch glucksend-murmelnde Laute sind zu vernehmen. Die Siebenschläfer leben gesellig in kleinen Familientrupps. Wenn nicht genügend Baumhöhlen vorhanden sind, bewohnen sie auch gerne künstliche Höhlen und beziehen auch Vogelnistkästen, Dachzwischenräume in Jagdhütten und Bienenhäusern, wo sie auch ihre Jungen aufziehen.
Um für den Winter genügend Speck anzusetzen, zieht der Siebenschläfer öl- und fetthaltige Nahrung wie Bucheckern, Haselnüsse, Eicheln und andere Samen vor, während in den Sommermonaten auch Knospen, Rinden, Früchte und Pilze zu seinem Speiseplan zählen. Gelegentlich lässt er sich auch Insekten und Vogeleier schmecken. Der Siebenschläfer ist ein Langschläfer und sobald er genügend Fett gespeichert hat und die Zeit zum Winterschlaf gekommen ist, zieht er sich zurück in ausgefaulte Astlöcher und verlassene Spechthöhlen, die er mit Moos, Farnen, Laub und Gras auspolstert. Auch ins Erdreich graben sie sich manchmal ein und halten in einer Tiefe von einem halben Meter bis einem Meter Winterschlaf. Oft schlafen in einer solchen Höhle mehrere Tiere eng aneinander gedrückt oder sie liegen auf dem Rücken, den Schwanz über Bauch und Kopf gebogen, mit geschlossenen Augen und die Ohrmuscheln über den Gehörgang geklappt.
Der Winterschlaf wird nicht durch fallende Temperaturen ausgelöst sondern durch die kürzer werdenden Tage Ende September/Anfang Oktober. Ihre Körpertemperatur sinkt im Winter bis knapp über 0 Grad Celsius ab und die Atmung reduziert sich auf 1 bis 2 Atemzüge pro Minute. Im Erstarrungszustand verringert sich die Herzschlagfrequenz von 300 auf 5 Schläge pro Minute. Der Schlaf wird aber immer wieder für kurze Aufwach- und Aufwärmphasen unterbrochen. Die Langschläfer verlieren während des Winterschlafs fast die Hälfte ihres Gewichts und erwachen bei Temperaturen über zwanzig Grad recht abgemagert im Monat Mai.
Der Fortpflanzungstrieb erwacht, sobald sie sich wieder genügend Fett angefressen haben. Etwa einen Monat nach dem Erwachen aus dem langen Winterschlaf beginnt die Paarungszeit, während der man durchdringende Rufe wie Fiepen, Pfeifen oder Quieken vernimmt. Die Vermehrung der Siebenschläfer wird über die Befruchtungsfähigkeit der Männchen gesteuert. Bei gutem Nahrungsangebot im Herbst sind bei ihnen nach dem Erwachen im Frühjahr die Hoden deutlich vergrößert. Während der Paarungszeit quieken beide Geschlechter weit vernehmlich ein Uiiii-uiii-uiii. Mit diesen Strophen scheinen sich die Partner zusammen zu finden. Ihr Revier kennzeichnen die Männchen durch Absetzen von Duftmarken, indem sie ihre Hinterpartie fest auf den Boden drücken und mit kurzen Schritten vorwärts trippeln. Dabei halten sie den Schwanz bogenförmig nach hinten , während die Nase schnuppernd bodenwärts gerichtet ist. Während der Paarungszeit sind die Männchen leicht erregbar und geben ein charakteristisches Drohsurren von sich. Auch ein geräuschvolles Zähnerattern und Pfeiflaute sind zu vernehmen. Das Männchen wirbt pausenlos um das Weibchen mit zwitschernden zi-zi-zi-zi-zi-zi-Lauten, bis dieses endlich paarungsbereit ist und sich besteigen lässt. Nach einigen Tagen holt das Weibchen Nistmaterial wie Moos, Farne und grünes Laub in ihre Baum- oder Mauerhöhle. Auch geräumige Nistkästen werden gerne angenommen.
Nach einer Tragzeit von 30 bis 32 Tagen kommen dann zwischen August und September 4 bis 11 nackte, etwa 5 g schwere Junge zur Welt. Sie sind blind und können auch nicht riechen oder hören und werden mindestens 3 Wochen von der Mutter gesäugt. Nach 21 bis 32 Tagen öffnen sie die Augen. Die Mutter beleckt sehr häufig die Jungen im Mund, welche dieses erwidern und manchmal unter lautem Piepen die stark speichelnde Mundhöhle der Mutter auslecken. Wahrscheinlich enthält der Speichel wichtige Stoffe, die sich die Jungen aus dem Mund ihrer Mutter holen. Die Männchen beteiligen sich nicht an der Brutpflege sondern wenden sich weiteren brünstigen Weibchen zu. Wenn die Jungen sich behaaren, unternimmt die Mutter kurze Ausflüge und überdeckt die Kleinen vor dem Aufbruch mit Nestmaterial. Solange die Jungen nicht behaart sind wehrt die Mutter den Vater vom Nest ab. Nach etwa 16 Tagen lässt sie dann das Männchen zu den Jungen, das diese dann gegen Neststörungen wütend verteidigt. Die meisten Familien halten auch über den Winter einträchtig zusammen und lösen sich erst zur nächsten Paarungszeit endgültig auf.
Die Jungen werden im Sommer nach dem 1. Winterschlaf geschlechtsreif und erreichen bei gutem Nahrungsangebot ein Alter von 5 bis 9 Jahre. In der Roten Liste Bayern steht der Siebenschläfer als nicht gefährdet.
Günter Geiß