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„Länderbrücke Haiming/Überackern“
Fußgänger - und Radfahrerbrücke über die Salzach
(zuletzt überarbeitet am 1.12. 2012)

Die Gemeinden Haiming/Überackern haben Vorstudien[1] für eine Brücke über die Salzach finanziert.  Es gab verschiedene Gespräche dazu[2].
Nach derzeitiger Lage ist eine Brücke geplant („längste Holzbrücke der Welt“), die vom Salzachdamm etwas oberhalb des Sportlerheimes Haiming zuerst aufgeständert ca. 150 m prioritär geschützte Weichholzaue[3] und dann mittels eines hohen Pylons auf der österreichischen Seite in ca. 8 m Höhe[4] die Salzach überquert. Auf der österreichischen Seite ist neben dem Pylon noch eine ca. 35 m hohe Aussichtsplattform angedacht. Die Kosten werden derzeit auf ca. 4 Mio € (4,4 Mio € inkl. Aussichtsplattform) geschätzt.

Quantitative Aussagen zum die ökologische Beeinträchtigung überwiegenden Nutzen („zwingendes überwiegendes öffentliches Interesse") sowie eine saP und eine FFH-VP mit einer umfassenden Beteiligung der Verbände sind in diesem Verfahren nötig; erste offizielle Aussagen liegen mit einer ökologischen Machbarkeitsstudie vor.
Einwände der oberen und unteren Naturschutzbehörden betreffen vor allem die negativen Auswirkungen auf die geschützten Gebiete und die nicht aufgezeigten „überwiegenden Vorteile“ aus öffentlichem Interesse. Bund Naturschutz (BN) und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) sehen das ähnlich und befürchten speziell Vogelschlag entlang der Wasserwege, die von Vögeln genutzt werden, die im Bereich des Europareservates „Unterer Inn“ während des Vogelzuges rasten.

Bezüglich der möglichen Alternativen müssen nur Alternativen zur jetzt geplanten Brücke geprüft werden, mit den Bedingungen, die für diese Brücke festgelegt sind. Es geht also nicht um eine Verbindung zwischen Haiming und Überackern (etwa über eine Fähre wie früher), sondern um eine Brücke, die auch bei Höchstwasser gangbar sein soll. Da im Winter die Zufahrtswege nicht geräumt werden sollen, und damit eine Nutzung jährlich für einige Wochen nicht möglich sein wird (zumindest nicht für das Fahrrad), ist eine Sicherung gegen 50- oder 100-jährige Hochwässer wegen Nutzungseinschränkungen sinnlos und verteuert das Projekt völlig unnötig.

Im Folgenden einige Überlegungen zu diesem Projekt.

1.    Die Brücke soll ein Gebiet mit international höchster ökologischer Bedeutung durchqueren.
Folgende Schutzgebiete sind dort am bayerischen Ufer ausgewiesen: Ein Naturschutzgebiet, ein EU-Vogelschutzgebiet, ein Flora-Fauna-Habitat; Eingriffe wie Wegbauten etc. sind dort von vorneherein verboten. Befreiungen von den Verboten (§6) sind nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz möglich (
Art. 49, BayNatSchG) „wenn überwiegende Gründe des allgemeinen Wohls die Befreiung erfordern“, zuständig dafür die Regierung von Oberbayern. Für „Natura 2000“ Gebiete gelten ähnliche Verbote, …, für die nach Art. 49a, BayNatSchG ähnliche Befreiungen möglich sind („wenn das Vorhaben aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses die Befreiung erfordert“). Dieses „alte“ BayNatSchG wurde durch ein neues Gesetz von Februar 2011 ersetzt.
Im Folgenden einige Einzelheiten zu den Schutzgebieten (mehr etwa bei Wikipedia „Unterer Inn“).

a.    Bereits 1976 wurde das Gebiet „Unterer Inn, Haiming-Neuhaus (Nr. 96)“ in der Ramsar-Konvention der geschützten Feuchtgebiete aufgenommen; eine kurze Beschreibung (bitte anklicken).

b.    Das Gebiet (DE7744-301/7744-471) „Salzach und Inn“ wurde schon 1979 als EU-Vogelschutzgebiet festgelegt. Gleichzeitig verlieh der Europarat der Region den Titel „Eropareservat Unterer Inn“.

c.    Das Naturschutzgebiet (NSG) „NSG-419 Vogelfreistätte Salzachmündung“ (bitte den Text der Verordnung anklicken) wurde 1992 gegründet. Gemäß dem Schutzgegenstand und Schutzzweck (§1 und §3) sind Eingriffe wie Wegebauten etc. verboten (§4).

d.    Das Landschaftsschutzgebiet (LSG-00289.01 "Salzachtal" im Gebiet der Gemeinde Haiming, der Stadt Burghausen und der Gemeinden Raitenhaslach und Burgkirchen an der Alz)

e.    Um 2002 wurde – teilweise überschneidend mit der Vogelfreistätte – ein Flora-Fauna-Habitat (FFH) nach Richtlinie 92/43/EWG gemeldet[5].

Es handelt sich also eindeutig um ein für den Vogelschutz sehr bedeutendes Gebiet. Einmal geht es speziell um Wasservögel, die im Frühjahr und Herbst das Europareservat bei ihrer Vogelwanderung nutzen, aber wegen seiner Größe und teilweisen Abgelegenheit auch um heimische Wasser- und andere Vögel.


2.    Für alle, die gerne wandern, Rad fahren, wäre es wunderbar, sowohl im Bereich Haiming als auch im Bereich Unterhadermark/Raitenhaslach die Salzach über-queren zu können (und natürlich an vielen anderen Stellen anderer Flüsse auch). Damit würde der Salzach-Radweg auf beiden Flussseiten aufgewertet, der lokale, sanfte Tourismus gefördert auch im Sinne von "Wir schützen, was wir kennen und schätzen"[6].
Die allgemeine Frage „Befürworten Sie den Bau und Unterhalt einer Überque-rungsmöglichkeit über die Salzach“ würde deshalb wohl eine Mehrheit bejahen; eine solche Befragung steht in Haiming ja wahrscheinlich an.
Differenziert man die Frage im Hinblick auf die hohen Kosten der Brücke auch auf damit finanzierbare andere wünschenswerte Investitionen im Kindergarten-, Schul-, Gesundheits- und Altenheimsystem oder auch in eine Fähre etwa, würde die Zustimmung für eine Brücke wohl deutlich geringer ausfallen.

3.    Den Fluss kann man mit Brücken und Fährverbindungen[7] überqueren.
Ob es Fähren gibt, die von den Übersetzenden bedient werden können, müsste eruiert werden. Wahrscheinlich muss jemand eine solche Fähre bedienen, der nahe am Fluss wohnt: In Überackern gibt es Höfe ganz nahe an der Salzach.
Von allein tragen sich Fährverbindungen offensichtlich nicht; sie dürften aber wesentlich weniger als eine Brücke kosten[8]. Bei einer Fähre können sich natürlich auch ökologische Probleme ergeben, aber selbst im schlechtesten Fall weniger als bei der Brücke; die ökonomischen und sozialen Vorteile sind evident[9].

4.    Die Salzachbrücke ist ein "4-Millionen Euro-Projekt", das größtenteils fremd finanziert werden soll[10]; dazu kommt der Unterhalt. Damit summiert sich ein Betrag, mit dem sich vieles andere finanzieren liesse, siehe Punkt 2 und 3.
Viele nehmen das Projekt wegen der hohen Kosten und der völlig offenen Finanzie-rung auch nicht wirklich ernst. Derzeit wollen die Grundstückseigentümer nur verkaufen, wenn die Haiminger Bürger sich für dieses Projekt klar aussprechen, siehe Punkt 2.

5.    Die ökologische Machbarkeitsstudie sieht drei Hauptwirkungen:
* Inanspruchnahme von geschütztem Auwald (D) und eines Heckenabschittes (Au)
* Zerschneidungseffekte im geschützten Auwald auch durch neue Nutzungswege
* Vogelschlag an der Brücke, vor allem für dem Fluss folgende Wasservögel, die zum Europareservat „Unterer Inn“ fliegen oder von dorther kommen[11]
.
* Als zusätzlicher Effekt tritt eine erhebliche Änderung des lokalen Landschafts-bildes ein.

6.    Alternative Brückenstandorte: Ein alternativer Brückenstandort könnte zumindest die negativen Auswirkungen auf das NSG vermeiden.
Eine Brücke ausgehend von der Mündung des Alzkanals über die Salzach bis zu landwirtschaftlich genutzten Feldern auf der österreichischen Seite ist von Neuhofen (Ortsteil von Haiming) schon jetzt gut auf zwei Wegen erreichbar. Da hier überhaupt kein Auwald neu durchquert werden muss, ist eine Brücke mit fast halber Länge möglich, was auch erheblich geringere Kosten bedeuten würde. Eine Überquerung an dieser Stelle würde auch für Arbeitnehmer in Burghausen (Wacker, OMV, …), die aus dem Raum Überackern und aus Richtung Nord und Nordost davon kommen, gegenüber anderen Lösungen Vorteile bringen.
Dem hat u.a. die Gemeinde entgegengehalten, dass diese Brücke nur vergleichbar wäre, wenn sie tatsächlich die beiden Dammkronen miteinander verbinden würde, was wegen des Höchstwasserschutzes nötig wäre. Eine Nutzungspause während eines 100 jährigen Hochwassers ist unserer Meinung nach tolerierbar, da die Brücke in jedem Winter, wenn Schnee liegt, sowieso nicht genutzt wird, da die Zuwege nicht geräumt werden!
Zu einer alternativen Fähre siehe oben Punkt 3.

7.    Die negativen Wirkungen auf die (Wasservogel-)Faunen und das NSG müssten quantifiziert und mit den möglicherweise positiven Wirkungen (Punkt 1) verglichen werden.

a.    Ein Kenner der Vogelwelt und der Landschaft in diesem Bereich sollte im Auftrag von Haiming/Überackern dazu Stellung nehmen. Gleichzeitig befragen wir uns bekannte Vogelexperten.

b.    Nötig wäre auch eine Studie über das „zwingende überwiegende öffentliche Interesse“ [12] an der Brücke.

Von Haiminger Seite wurden verschiedene Punkte dazu angegeben:
* Historische Gemeinsamkeiten, die aber seit etwa 1940 nicht mehr gepflegt werden
* Kurze Wege für Bürger von Überackern zum Einkaufen in Haiming, was mit dem Rad sicherlich nur wenige realisieren werden (so viele Geschäfte gibt es in Haiming auch nicht)
* Wesentliche Streckenverkürzung für Arbeitnehmer aus dem Überackerner Raum und nördlich davon, die bei OMV, Wacker arbeiten; auch für diese wäre der alternative Brückenstandort (Punkt 6) wesentlich günstiger.
* Positive Auswirkungen auf den sanften Tourismus, was unbestreitbar ist, sich bei den Alternativstandorten aber ebenfalls positiv auswirkt und an der geplanten Stelle
von der Naturschutzgesetzgebung verboten ist.

Derzeit erkennen wir trotz Antragskonferenz keine besondere Brisanz dieses Themas, da vor allem die Finanzierung, aber auch die Grundstücksfrage noch nicht geklärt sind.

 

Über Verbesserungsvorschläge, Kritik und Fragen freue ich mich

Dr. Ernst-Josef Spindler
Bund Naturschutz in Bayern, Ortsgruppe Burghausen
Am Pulverturm 19; 84489 Burghausen; Tel: 08677 62683; E-Mail: ernst-josef.spindler@web.de

 

 



[1] Büro für Ingenieur-Architektur Richard J. Dietrich, 83278 Bergwiesen, Tel: 08662 7245 hat die Brücke konzipiert, Planungsbüro Schuardt, Marienstr. 9, 83278 Traunstein, Tel: 0861 16619778 hat eine ökologische Machbarkeitsstudie erstellt

[2] Ab etwa Juli mit dem BN, LBV, Gemeinderat etc. und am 25. 10. im LRA AÖ eine Antragskonferenz (vor der Antragsstellung) mit Behörden und Umweltverbänden.

[3] Auf der deutschen Seite u.a. als Naturschutzgebiet (NSG) und Natura 2000-Gebiet klassifiziert, auf der österreichischen Seite keine Schutzgebiete; siehe hier Punkt 1

[4] Höhe wegen des Schwimmbaggers, der jährlich ca. 70 000 m3 Kies in 2 Monaten ausbaggert; der Kies wird von oberhalb der Einmündung des Alzkanals bis etwa auf die Höhe der geplanten Brücke ausgebaggert und mit ca. 35 Schuten/Tag in den Hafen Bergham transportiert

[5] 1998 bis 2002 wurde das EU-Life-Projekt „Unterer Inn mit Auen“ durchgeführt

[6] Eine schnelle und kostengünstige Maßnahme, einige Flußübergänge zusätzlich zu schaffen, wäre die Öffnung der derzeit gesperrten Staudämme für den Fußgänger und Radfahrer, etwa bei dem Stauwerk Stammham. An der Salzach als letztem freifließenden Voralpenfluss gibt es allerdings glücklicherweise keine solchen Staudämme.

[7] Bis 1941 gab es eine Fähre, damals wurde die bis dahin bestehende gemeinsame Pfarrei Haiming/Überackern aufgelöst.

[8] Nimmt man an, dass jemand gefunden wird, der für 10 000 €/Jahr die Verbindung aufrechterhält (z.B. innerhalb 15 Minuten am Schiff ist und dann noch einen Obulus für die Überfahrt kassiert), würden 100 Jahre 1 Mio € (plus Investition und Unterhalt) kosten im Vergleich zu 4 Mio € plus Unterhalt für eine Brücke.

[9] Eine Fähre am derzeit geplanten Brückenstandort benötigt einen Zuweg durch den Auwald (Inanspruchnahme von Auwald, Zerschneidungseffekt), bewirkt keinen Vogelschlag, ist wesentlich kostengünstiger, schafft einen Arbeitsplatz, ändert das Landschaftsbild nicht. Eine Fähre auf Höhe des Alzkanals würde auch die beiden anderen ökologischen Probleme vermeiden.

[10] Von österreichischer Seite wird Mitte 2013 gesagt werden, ob das Projekt überhaupt förderbar ist. Konkrete Förderer sind derzeit nicht bekannt.

[11]Anscheinend gibt es derzeit kaum/keine Informationen zu Vogelschlag an Brücken mit Seilen, die über 5 cm dick sind, wohl aber zu Vogelschlag an Stromleitungstrassen (dünne Kabel); das Planungsbüro Schuardt möchte wenn nötig mit optischen Warnungen Vögel von Kabelschlag abhalten.

[12] Z.B.: Wieviele Personen werden die Brücke nutzen; wie hoch ist der ökonomische Vorteil für Haiming, für Überackern; kann die historische Verbindung zwischen den Gemeinden (teilweise) wieder hergestellt werden; wer ist der Hauptnutzer, der örtliche Verkehr oder der touristische; wird von Einheimischen, von Touristen eine Fähre als interessanter eingeschätzt als eine Brücke; sind die Brückenvorteile bei einem anderen Brückenstandort, bei einer alternativen Fähre nicht zu erwarten?