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GEO-Tag in Perach 2021

Am 18. und 19. Juni veranstaltete die BUND Naturschutz Kreisgruppe Altötting (BN) ihren 14. GEO-Tag. Diesmal auf ihrem Feuchtbiotop in Perach, der angrenzenden Retentionsfläche des Weitbaches und dem renaturierten Bereich des Westerndorfer Grabens. Bis zum Schluß wurde gezittert, ob der Kinder-GEO-Tag und die Anwesenheit von Laien erlaubt werden könnte. Beides gelang aufgrund anhaltend niedriger Corona-Inzidenzen.

Knapp zwei Wochen vor dem GEO-Tag hat ein Unwetter den Weitbach so stark anschwellen lassen, dass das Wasser bis zur Dammkrone stand, obwohl auch große Mengen in die Retentionsfläche geströmt sind. Große Äste und ähnliches hatten sich auf dem Weg zur Retentionsfläche an den Brücken verkeilt und das Wasser zurückgestaut. Das führte zu massiven Wassereinbrüchen in den Häusern der angrenzenden Siedlung und zu starken Beschädigungen an den Brücken.

Prof. Michael Hohla, Stephan Stadler, Eveline Merches und Walter Sage hatten das Gebiet in einer Vorexkursion auf Pflanzen, Käfer, Spinnen, Falter und sonstigen Tieren untersucht. Am diesjährigen GEO-Tag haben sich zur Freude der BN-Aktiven drei "Experten-Neulinge" an den Pflanzen (Astrid Maier), den Wassertierchen (Conny Hahn-Hickel) und Vögeln, Faltern, Käfern u.ä. (Markus Brindl) versucht.

Das Basislager wurde auf dem Damm des Weitbaches aufgestellt, wo sich die Teilnehmer trafen. Die etwa 20 Experten des BN-GEO-Tages untersuchten die Flächen in kleineren Gruppen bei hochsommerlichen Temperaturen und im Umgriff des Weitbaches zudem unter Angriff der Myriaden von Mücken. Auch die 7 Kinder des Kinder-GEO-Tages wurden erstmal mit Anti-Brumm versorgt, bevor es Freitagnachmittag ins Gelände in der Nähe des Basislagers ging. Die Kinder waren aber super gut drauf und klopften die Büsche ab und kescherten in der Vegetation nach etwaigen Krabbeltieren. Die Ausbeute war nicht annähernd so gut, wie es dem Gebiet entspräche. Dennoch waren die Kinder bis zum Schluß engagiert dabei und wurden am Ende mit einem selbstgemachten Erdbeereis belohnt. Trotz der auffallend wenigen Käfer, Spinnen, Zikaden und Wanzen konnten doch 32 verschiedene Arten in die Liste eingetragen werden. So fanden die Kinder im Weitbach neben vielen Bachflohkrebsen einen Wasserskorpion (Nepa cinerea), der am Hinterleibsende einen stachelartigen Fortsatz hat, der als Atemröhre dient. So kann er im Schlamm hocken und über sein Atemrohr genug Sauerstoff ergattern. Aber auch der Sumpf-Sonnenspringer (Heliophanus auratus) war ein schöner Fund, der den Kindern gelang.

Am Freitagabend stellten Christian Zehentner und Robert Eder zwei Lichttürme auf, einen auf dem Damm des Weitbaches, den Gerhard Karl betreut hat und einen am Westerndorfer Graben, den die beiden bis nach 2.00 Uhr nachts selbst betreut haben. Von den 106 verschiedenen Arten seine genannt: das hübsche Blausieb (Zeuzera pyrina), der kleinvogelgroße Lindenschwärmer (Mimas tiliae) und das besonders geschützte Schwarze C (Polygonia c-album).

Am Samstag starteten die Vogelkundler-Gruppe um Ingo Gürtler bereits um 7.00 Uhr in der Früh. Sie konnten 56 Arten identifizieren, vor allem die sumpfigen Bereiche der Retentionsfläche und das Gebiet in der Nähe der Kläranlage waren sehr ergiebig. Als Besonderheiten seien genannt: streng geschützter Eisvogel (Alcedo atthis, RL 3), Mauersegler (Apus apus, RL 3) und Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus, RL 3). Um 9.00 Uhr kamen auch die restlichen Teilnehmer hinzu. Nach einer kurzen Einführung durch Gerhard Merches (BN) verteilten sich die Expert*Innen im Gelände.

Knapp 300 verschiedene Baum- und Straucharten, Moose, Blühpflanzen und Gräser landeten in der Artenliste. Es waren zwar nicht viele Rote-Liste-Arten dabei, aber doch eine schöne Vielfalt. Der Westerndorfer Graben, der geprägt ist von Trockenstandorten und abwechslungsreicher Gestaltung (Steine, Totholz, Hänge und Böschungen) verzeichnete die meisten Arten. Unter den Funden in den Gebieten fanden sich auch ein paar seltenere Arten wie die Schwarzpappel (Populus nigra, RL 2), die Lavendel-Weide (Salix elaeagnos, RL V), das wunderschön blühende Tausendgüldenkraut (RLV-BArtSchV) und das Helmknabenkraut (Orchis militaris, RL 3). Aber auch der Große Klappertopf (Rhinanthus serotinus, RL 3) und das im Wasser des Westerndorfer Grabens wachsende Quirl-Tausendblatt (Myriophyllum verticillatum, RL 3).

Die Pilzexperten Thomas Glaser und Till R. Lohmeyer mit seiner AMIS-Gruppe waren dieses Jahr recht zufrieden. Unter den 47 gefundenen, verschiedenen Arten waren etliche seltene Arten, wie z.B. dem Robinien-Kugel-Pustelpilz (Massaria anomia) für die es bislang erst 2 Nachweise im Inn-Salzachgebiet gibt. Der auf Hasenköttel gefundene Ascomycet Delitschia marchalli wurde für Bayern bislang noch nicht erwähnt. Beide Funde stammen vom AMIS-Mitglied Inge Rössl. Sie hat sich auf die Kleinstpilze spezialisiert und findet zu jeder Jahreszeit ihre "Beute", denn der geniale Recyclingbetrieb der Pilze läuft das ganze Jahr durch. In der Vorexkursion wurde der extrem seltene Braune Kappenspor-Becherling (Peziza badioides) im Westerndorfer Graben gefunden. Der Pilz bildete dort zahlreiche fast tassengroße Becherlinge. Das ist der erst vierte Fund für ganz Deutschland.

Bei Käfer, Wanzen, Zikaden und Heuschrecken sah es eher mau aus. Trotzdem gab es auch dort Highlights unter den Funden. So flogen im Westerndorfer Graben zahlreiche Dünen-Sandlaufkäfer (Cicindela hybrida, RL V) und auch ein paar der vom Aussterben bedrohten Deutschen Sandlaufkäfer (Cylindera germanica, RL 1) wurden dort entdeckt.

Auch die Feldgrille (Gryllus campestris, RL V) konnte notiert werden.

Walter Sage und Stefan Stadler hatten sich da aber deutlich mehr erwartet. Aber die langanhaltende Frühjahrskälte und das Hochwasserereignis haben da wohl nachhaltige Spuren hinterlassen. Das gilt auch für die Spinnen – hier fehlten gerade viele häufige Arten, oder waren nur als Einzelexemplare auffindbar. Unter den 23 gefundenen Spinnenarten fand sich der ameisenimitierende Schlanke Ameisenspringer (Synageles venator), die nicht so häufige Anspruchslose Krabbenspinne (Xysticus kochi) und der Sumpf-Sonnenspringer (Heliophanus auratus, RL G). Die auf dem Dammweg am BN-Gelände gefangene Pracht-Luchsspinne (Oxyopes ramosus, RL 3) war für Eveline Merches das Highlight unter den Spinnenfunden.

Mit 24 verschiedenen Wildbienenarten konnten Karl Lipp und Daniela Ehm aufwarten. Neben 7 Hummelarten erfreute der Fund der Knautien-Sandbiene (Adrena hattorfiana, RLB 2) besonders. Als Highlight identifizierte Daniela Ehm unter Vorbehalt die Vierbindige Furchenbiene (Halictus quadricinctus, RL 0). Die unterbrochenen Filzbinden sind ein eindeutiges Merkmal dieser Art, die in Bayern als ausgestorben gilt. Mit der Renaturierung wurde am Westerndorfer Graben ein Lebensraum geschaffen, der mit seinem langblühenden Angebot perfekt für diese Art passt. Eine Nachsuche soll diesen schönen Fund aber noch absichern.

Stefan Stadler und Walter Sage haben das Gebiet auch auf das Vorkommen von Libellenarten untersucht und dabei 12 verschiedene Arten notieren können. Neben der zahlreich fliegenden Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) wurden auch die Kleine Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus, RL V) und die Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltonii, RL V) gefunden. Alle drei Arten stehen auf der Vorwarnliste zur Roten Liste Bayerns.

Im BN-Biotop konnten 6 Amphibienarten von Ines Hager entdeckt werden. Darunter Larven des Teichmolchs (Lissotriton vulgaris), 1 Springfrosch (Rana dalmatina, RL 3) und eine Ringelnatter (Natrix natrix (RL 3). In der feuchten Umgebung des BN-Biotops fühlten sich auch die Schnecken sehr wohl und waren zahlreich vertreten. Johann Münzhuber konnte 10 Arten identifizieren. Neben der massenhaft vorkommenden Gewöhnlichen Wegschnecke (Arion vulgaris) gelang auch der Fund von drei Großen Laubschnecken (Euomphalia strigella, RL 3).

Die Kleinstlebewesen im Wasser wurden erstmalig von Conny Hahn-Hickel untersucht. Sie hatte ihren Untersuchungstisch am Westerndorfer Graben im Schatten aufgebaut. Die Tierchen fing sie mit Sieb und Pinsel im voll besonnten Bachbereich. 17 verschiedene Arten konnte sie ausmachen. Da man von dem Vorkommen bestimmter Wassertierchen-Kombinationen auf die Wassergüte schließen kann, konnte sie feststellen, dass die Wasserqualität immer besser wurde, je weiter weg der Graben vom Peracher Badesee, dessen Auslauf er ist, war. Für eine verlässliche Wasser-Qualitätsdiagnose reichte die Untersuchungszeit allerdings nicht aus.

Über alle Fachgebiete hinweg enthält die Artenliste ca. 680 Arten, davon sind nicht alle bis zur Art bestimmt.

Einen ausführlichen Bericht finden sie hier.

Den Bericht im Alt-/Neuöttinger Anzeiger vom 16. Juli 2021 finden Sie hier.