Mammutstoßzahn aus Emmertinger Kiesgrube
Ein Relikt aus der Würmeiszeit, eingebettet im Geschiebe der Gletscherschmelzwässer.
„Erdrutsch bringt Mammutstoßzahn im Emmertinger Kieswerk zum Vorschein“, so rauschte es im damaligen Blätterwald der Pressemitteilungen. In einem Teil der Kiesgrube, in der eigentlich nicht mehr abgebaut werden sollte, ragte nach einem Erdrutsch in 22 m Tiefe ein eiszeitliches Relikt aus der Kieswand. Es sah aus wie ein Stück Holz, erinnerte sich Kieswerkmitarbeiter Günter Bergmann und wollte es genauer wissen. Das Stück Holz entpuppte sich als ein über 2 m langer Mammutstoßzahn. Mammutexperte und Leiter des Mammutmuseums in Siegsdorf, Dr. Robert Darga, schätzte den Stoßzahn, der seiner Meinung nach von einem Wollhaarmammut aus der Eiszeit stammte, auf etwa 40 000 bis 60 000 Jahre. Er glaubte, dass sich der stark verwitterte Zahn, dessen Spitze stark zerbröckelt war, dennoch rekonstruieren ließe. Der damalige Bürgermeister Sepp Meier wollte den einmaligen Fund erhalten. Der Finder Günter Bergmann überließ das Elfenbeinfundstück der Gemeinde für die Präparation. In einem Spezialverfahren wurde die Feuchtigkeit dem Stoßzahn entzogen und durch andere Materialien ersetzt. Heute ist das kostbare Stück Elfenbein in einem Schaukasten im Foyer der Schule Emmerting ausgestellt.
Das Wollhaarmammut, auch Woll- oder Fellmammut genannt, ist eine ausgestorbene Art aus der Familie der Elefanten. Die Gattung Mammuthus stammt aus Afrika. Aus ihm entwickelte sich Mammuthus meridionalis, der Südelefant, der vor knapp 3 Millionen Jahren auch nach Eurasien einwanderte. Von ihm spaltete sich vor 1,5 Millionen Jahren der Steppenelefant, der noch eine Schulterhöhe von 4,5 m erreichte, ab. In Europa war er vor 700 000 bis 500 000 Jahren weit verbreitet. Vor ca. 200 000 bis 150 000 Jahren, in der Risseiszeit, lebte in Europa noch eine Übergangsform mit einer Schulterhöhe von 3,7 m, die zwischen dem Steppenelefanten und dem kleineren Mammut lag. Die Bullen der frühen Mammutformen erreichten noch bis 3,5 m Schulterhöhe. Zu dieser Frühform gehörte wahrscheinlich das Siegsdorfer Mammut, ein kräftiger, etwa 50 Jahre alter Bulle. Möglicherweise wollte er an einem Bach im Gerhartsreiter Graben in einem Tümpel baden, wo er dann im sumpfigen Morast stecken blieb oder auch an einer Krankheit verendete. Das Fleisch des verendeten Tieres wurde wahrscheinlich von Hyänen, Höhlenlöwen oder Wölfen gefressen und das freigelegte Gerippe von herbeigeführten Sedimenten, die vielleicht von einem Hangsturz stammten, verschüttet. Da das Skelett nicht mehr der Verwitterung ausgesetzt war, wurde es unverändert an Ort und Stelle konserviert. Es war ein Glücksfall, dass auch kein Gletscher der nachfolgenden Eiszeit den Fundort ausgeräumt hat. Der Fund eines Riesenhirschskeletts in der Nähe zeigt, dass es in der Siegsdorfer Gegend damals relativ mild war und die Tierwelt während eines Interstadials, einer Wärmeschwankung in der Eiszeit, lebte.
Aus dem Steppenmammut entwickelte sich letztendlich das Wollhaarmammut, wobei die genauen Übergangsformen noch nicht abschließend geklärt sind. Das Wollhaarmammut zeigte regional deutliche Populationsunterschiede, wobei es sein häufigstes Auftreten vor dem letzten Glazialkältemaximum während der Würmeiszeit erreichte. In der Folge verschwand es aus weiten Teilen des westlichen Eurasiens, überlebte in Europa aber offensichtlich noch bis zum Beginn des Holozäns. Noch vor 3700 Jahren lebten die letzten Angehörigen dieser Art auf der Wrangelinsel, einer russischen Insel im arktischen Ozean.
Der Stoßzahn, der in der Kiesgrube in Emmerting gefunden wurde, stammte wahrscheinlich von einem etwa 3 m hohen Wollhaarmammut der Art Mammuthus primigenius, das vor 60 000 bis 40 000 Jahren während der Würmeiszeit am Nordrand der Alpen in einem eisfreies Tal lebte. Nach seinem Tod wurde es sicherlich von Fleischfressern skelettiert und das zerfallene Knochengerüst von Schmelzwässern der Gletscher mit Gesteinsschutt aus dem Gebirge verdriftet. Der Stoßzahn wurde im Vorland angeschwemmt und im weiteren Verlauf mit Geschiebe überschüttet, bis er in der aufgeschlossenen Wand in der Kiesgrube ans Tageslicht kam.
Günter Geiß